Christliche Kunstblätter, 93. Jg., 1955, Heft 3

einem eigenen Referat zu dieser Frage grund sätzliches und wertvolles gesagt, so daß hier ein bejahender Hinweis auf seine Ausführungen genügt. Noch einmal sei abschließend das schon er wähnte Anliegen, den Kirchenbau zu einem Gesamtkunstwerk werden zu lassen, aufge griffen. Dies ist letztlich nur'möglich, wenn den Künstlern — wie es in der Geschichte immer war —, ein ikonigraphisches Programm von den Theologen gereicht wird, was allerdings voraussetzt, daß bei diesen eine gründliche Kenntnis der geistigen Beziehungen zwischen Bildort und Bildthema vorhanden ist. In beson derem Maße gilt die 'Wahrung dieses Bezuges für das Altarbild. Man kann heute weitgehend wieder die erfreuliche Beobachtung machen, daß der Altar in seiner Bedeutung erkannt ist und daher nicht mehr als Unterbau und Sockel eines Bildes benutzt wird. Das Bild tritt zum Altar und zum Geschehen am Altar hinzu, und zwar formal und inhaltlich. Was sich dort vollzieht, ist nicht eine Andacht, sondern ein Mysterium, in dem das Heilswerk Christi gegenwärtig ge setzt wird. Der Herr kommt im Wort und in der Eucharistiefeier, die im hl. Mahl ihren Ab schluß findet. Nicht von ungefähr bildete in den ersten 1000 Jahren des Christentums die „Majestas Domini", also der endzeitliche, kommende Herr das feststehende Thema der Altarwand. Die Erwartung des kommenden Herrn war und ist eine wesentliche Grundhaltung der Christen, und erst durch die in der Gotik aufkommende einseitige Rückwendung zum Leben und Ster ben des historischen Christus wurde sie vor übergehend überdeckt. Eine gewisse Korrektur gotischer Religiosität charakterisiert heute viele Bemühungen um die Wiedergewinnung einer auf dem Wesentlichen begründeten und gestuf ten Frömmigkeit, und mir scheint, als würde die so auffallende 'Vorliebe für apokalyptische Themen darin begründet sein, nicht in einer im Grunde unchristlichen Weltuntergangsstim mung. Die Geheime Offenbarung des hl. Jo hannes enthält Visionen, die geradezu berufen sind, als bildliche Epiphanien zu der kultischen Wirklichkeit zu treten. Mehrfach schon wurden sie gewählt und in gültiger Weise gestaltet, so zum Beispiel von dem Plastiker Schilling an Altären und Rückwänden in Schweizer Kirchen, von dem österreichischen Maler Böckl in der Benediktiner-Abtei Seckau und von dem deut schen Prof. Meistermann in der St.-AlfonsKirche in Würzburg. Die beiden letzteren Werke stehen im Mittelpunkt lebhaftesten Interesses. Ihre Verschiedenheit in Auffassung und Gestaltung spiegelt vortrefflich ein Stück der gegenwärtigen Kunstsituation. Der ältere Böckl kommt vom Expressionismus, der jüngere Meistermann von der abstrakten Kunst. Heftige Bewegungen, ekstatische Gesten, in den vier endzeitlichen Wesen ans Surreale grenzende Körperformen, dichte Bilderfülle mit stark ge danklicher Symboltracht sind für den ersteren kennzeichnend, bei dem anderen, dessen zu be wältigende Fläche allerdings um ein vielfaches die von Seckau übertraf, ist das Inhaltliche streng auf gewisse Stellen der Geheimen Offen barung beschränkt und im Formalen sind es die Erfahrungen und Mittel der abstrakten Kunst, etwa die Aperspektivität, die Farbräumlichkeit, die Bewegungsrhythmen und dazu die Veran kerung in der Architektur, die das Werk be stimmen. Das Aggressive, Bannende und Fes selnde liegt bei Böckl im Inhaltlich-Gegenständ lichen zuerst begründet, bei Meistermann in der farbigen Akkordierung, die in sich selbst wieder symbolhaft ist. Eine Bildanalyse wird bei dem ersteren daher zuerst von der Thematik aus gehen müssen, bei dem zweiten von der Gesetz lichkeit des Bildes, das in seinen Zeichen dann Träger eines Themas ist. Zwei Generationen der gegenwärtigen Kunst kamen hier in einem Altarbild zur Aussage, beide begrüßenswert und beide gleichnishaft dafür, was heute nach zuholen und was zu wagen gilt. Das Altarbild ist nur ein Teil des Bildpro blems, das zur Lösung aufgegeben ist. Die ka tholische Frömmigkeit hat seit je das Bild als Brücke benützt und der Reichtum an Statuen und Gemälden ist geradezu ein Kennzeichen katholischer Kirchen. Dieser Reichtum war seit dem letzen Jahrhundert zum großen geistigen und künstlerischen Armutszeugnis geworden. Die Heroen christlichen Lebens wurden zu blas sen, blutleeren Langweiligkeiten degradiert und die schale Süßigkeit gipserner Herz-Jesu- und Marienstatuen baute sich wie eine Mauer vor deren wahres Bild. Der Ruf nach neuen An dachtsbildern ist groß und er wurde bis jetzt zu wenig von berufenen Künstlern gehört und beantwortet. Womit sollen junge, bewußte Christen ihre neuen Heime christlich gestalten? Der Rückgriff auf gute Drucke und Fotos alter Meister ist oft nur eine Notlösung und hat einen leicht musealen Beigeschmack. Für einzelne Gläubige mag eine abstrakte Meditation, wie sie etwa Manessier in seinem Osterzyklus ge schaffen hat oder ein Blatt aus Rouault's „Miserere" diese Lücke füllen. Das Bedürfnis nach entsprechenden Werken in den Kirchen kann damit nicht befriedigt werden. Auch hier gilt es für die kirchlichen Auftraggeber, zu wagen. Als Henry Moore, Englands großer Plastiker, gerade in einer seiner abstraktesten Perioden war, bekam er den Auftrag zu einer 113

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