Christliche Kunstblätter, 93. Jg., 1955, Heft 3

zen, gegen die unbegrenzte, ruhelose und lär mende Welt abzuschirmen und einen eigenen Raumkosmos zu schaffen. Architektur ist zuerst und vor allem Hülle. Dieser letzte Satz galt für den Profanbau des 20. Jahrhunderts, als er sich von dem Stilplura lismus des 19. Jahrhunderts freigemacht hatte, schon als richtunggebendes Axiom zu einer Zeit, da sich der Kirchenbau noch bedenkenlos mit Kopien vergangener Stile begnügte. Es ist nun einmal historische Tatsache, daß sich unabhängig und unbegleitet, geschweige denn geführt von der kirchlichen Architektur in unserem Jahr hundert ein neuer Baustil im rein profanen Bereich entwickelt hat. Diese Tatsache ist in der Geschichte des christlichen Abendlandes ein erst maliges und bedenkliches Ereignis. Es ist daher ein unbegründeter und pharisäischer Vorwurf, wenn man die neuen Kirchenbauten, die dann endlich von Architekten, die nicht nur Spezia listen sondern Meister ihres Faches waren, geschaffen wurden, wegen ihrer notwendigen und unabdingbaren Verwandtschaft mit dem längst allgemein akzeptierten, modernen Bau stil als unchristlich beschimpfte. Es handelt sich ja nicht um eine Profanierung, sondern um eine seit je in allen Stilphasen vorhandene einheit liche Kunstsprache. Schließlich ist doch die Welt, in der wir leben, den Christen zur Ver wandlung und zur Heiligung gegeben. Neben diesen allgemeinen Überlegungen gibt es noch eine Reihe von Spezialfragen, deren Lösung Aufgabe begabter Künstler und gelehr ter, verständiger Theologen ist. Zudem ist be reits eine Anzahl von Kirchen vorhanden, die als Marksteine und Wegv/eiser bezeichnet wer den können. Sie mögen auf den ersten Blick sehr divergierend erscheinen, etwa die Fron leichnamskirche in Aachen von R. Schwarz und die fast gleichzeitige Stahl-Glas-Kirche von Bartning auf der Pressa in Köln (1930, 1928). Vergleicht man aber etwa die erstere mit der neuesten Kirche von Corbusier in Ronchamp, oder die zweite mit St. Karl in Luzern von Metzger oder mit St. Alfons in Würzburg von Schädel, so zeigt sich, daß diese beiden extremen Grundformen teils zusammenwuchsen, teils sich weiterformten. Das Kubische, Kristalline, Sta tische der einen wird schwingend, weicher und lebendiger, das Transparente, Gleitende, Feurige der anderen wird geschlossener, gerichteter und beruhigter. Allein ein Blick auf die Grundrisse zeigt die erfolgte Synthese. An die Stelle des reinen Vierecks und des Halbovals traten koni sche Räume mit geradem oder gerundetem Ab schluß. Es scheint als könnte diese letztere Form, wie sie Metzger in Basel-Riehen zuerst und gültig erfand, eine gewisse konstante Lö sung bilden, die in sich wieder reiche Varia tionen ermöglicht. Wie steht es bei einer solchen Architektur auffassung mit dem Symbolcharakter des Kir chenbaues? Im Laufe der Geschichte hatte er verschiedene Weisen einer Sinnbildlichkeit er halten, z. B. als Himmlisches Jerusalem, Gottes burg, Thronsaal, und sie waren jeweils eng mit der religiösen, kulturellen und sozialen Struktur der einzelnen Epochen verknüpft. Das Bild Christi hatte in der Geschichte verschiedene Erscheinungsweisen und ihnen entsprach jeweils auch die Vorstellung vom Haus des Herrn, das wiederum abhängig war vom jeweiligen Typus des Wohnhauses. Wenn wir noch einmal den Satz; Architektur ist Hülle, heranziehen, dann könnte man sagen, daß das architektonische Gewand des Kultraumes immer von der füh renden Bauaufgabe einer Zeit wesentlich mit bestimmt wurde, sei es die kaiserlidie Basilika, die ritterliche Burg, die königliche Halle oder der festliche Repräsentationsraum eines Souve räns. So wenig sich nun etwa die soziale Frage von heute durch einen Rückgriff auf vergangene Gesellschaftsformen lösen läßt, so wenig nützt es bei der Suche nach einem zeitgemäßen Kult raum alte Symbole heranzuziehen. Es ist ja ein Kultgebäude schon allein dadurch, daß es Hülle eines heiligen Geschehens ist, ein Symbolraum, und je vollendeter im Geistigen und Formalen es diesen Dienst vollzieht, um so mehr kann und darf es auf eine sekundäre Bildhaftigkeit verzichten. Ein literarisches Programm ist dem funktioneilen Bauen von heute widerstrebend und vereinzelte Versuche mußten notwendiger weise zu zwiespältigen Ergebnissen führen. Ein anderes belastendes Erbe des 19. Jahr hunderts war die beispiellose Verwilderung des religiösen Bildes in der Ikonographie, Ikonologie und nicht zuletzt in der Qualität. Es ist ver ständlich, daß die ersten neuen Kirchenbauten in einem bewußten Verzicht sich mit einer strengen, asketischen, fast puritanischen Nüch ternheit begnügten. Ihre Aufgabe war es zu nächst den reinen, klaren, echten Kultraum zu schaffen. Sie gaben damit auch die Möglichkeit einer Besinnung auf Wesen, Aufgabe, Thema und Typen des christlichen Bildes. So tritt denn mehr und mehr auf Tagungen das Thema des Kirchenbaues in den Hintergrund und weicht der Frage nach dem Bild im Kirchenraum. Der Kirchenbau war seit je ein Gesamtkunstwerk, an dem alle Künste sich zu gemeinsamem Dienst fanden. Wir stehen heute am Anfang des Weges zu diesem hohen Ziel und es ist ein kennzeich nendes Merkmal dieser Situation, daß sich ein großer Teil der führenden Maler und Plastiker bereit findet, dabei mitzuwirken. Auch dies ist III

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