wurde an eine lange Tradition wieder ange knüpft. Weniger als ein Jahr später erweckte eine neue Verwirklichung das Interesse. Am 25. Juni 1951 wurde die gänzlich von Matisse geschaffene Kapelle von Vence eingeweiht. „Dieses Werk" rief er aus, „verlangte von mir vier Jahre ausschließlicher und angestrengter Arbeit, und es ist das Ergebnis meines ganzen tätigen Lebens. Ich betrachte es ungeachtet aller seiner Unvollkommenheiten als mein Meister werk." Diese unerwarteten Erfolge dürfen jedoch keine Illusionen verursachen. Sie sind die Früchte unvermuteter Umstände. Assy entstand aus der Begegnung eines demütigen, edelmüti gen und mutigen Priesters, des Abbe Devemy, mit einem Dominikaner, P. Couturier, der für das Wiederaufblühen einer lebendigen Kunst in der Kirche kämpft. Eine Krankenschwester, die mit viel Hingabe Matisse gepflegt hatte, geht ins Kloster. Sie kommt mit ihm (Matisse) ins Gespräch über das Projekt einer Kapelle für ihre Gemeinschaft. Das Interesse des Meisters wird wach, wächst, und das ist das Werden des Rosariums von Vence. Diese neuen und reinen Werke, weit entfernt, als ein bewegendes und wirkliches Gesicht des Christen von heute an erkannt zu werden, verursachen einen unglaub lichen und unsinnigen Streit. Man sprach von Skandal und Sakrileg, von Snobismus, Ästhe tismus und Barbarei. Man klagt an, der Revo lution Konzessionen zu machen und den Glau ben zu untergraben. Man soll über diesen Aufruhr nicht übermäßig erstaunt sein. Seit einem Jahrhundert sind alle, die der Kunst ihrer Epoche den Stempel auf gedrückt haben, mißverstanden worden. Man erinnere sich des Unrechts, der Anzüglichkeiten und der Verachtung, womit die gute Gesellschaft alle, die heute unseren Ruhm darstellen, von Manet bis Matisse, bedacht hat. Und Cezanne, vielleicht der größte, ward auch am meisten verspottet. Priester wie Gläubige folgen nur der allgemeinen Tendenz. Sie sind die Opfer einer verderbten und korrupten Sensibilität, eines krankhaften Geschmacks, der durch hundert Jahre Akademismus und eines Kultes falscher Werte verderbt und entstellt wurde. In einer Welt, in der die Situation der Kunst so prekär und so mißverstanden ist, ist es normal, daß die Situation der christlichen Kunst wie hoffnungs los erscheint. Die unter den Christen entstandene Unruhe verpflichtet die Hierarchie zum Einschreiten. Zunächst ist es der französische Episkopat, der einige leitende Prinzipien auf dem Gebiete der sakralen Kunst formuliert. In der Folge ist es der Hl. Stuhl, der eine Anleitung des Hl. Offiziums über den gleichen Gegenstand veröffent licht. Alle grämlichen Geister, die einen strengen Tadel, d. h. die Verurteilung gewisser Werke oder gewisser künstlerischer Tendenzen erwar teten, wurden enttäuscht. Die römische Autorität lehnt es ab, die besonderen Fälle zu zergliedern und sich über genaue Realisationen auszuspre chen. Gleichwohl beinhalten diese Dokumente wertvolle Anleitungen. Sie weisen die extra vaganten Formen der sakralen Kunst, die anstößigen Entstellungen, die ungewöhnlichen Bilder, alles, was das religiöse Gefühl tief ver letzt, zurück. Sie erinnern auch an die Weisung Pius XIL; „Man soll der Kunst unserer Zeit absolut freies Betätigungsfeld lassen, wenn sie sich in den Dienst heiliger Gebäude und Riten mit der diesen schuldigen Achtung und Ehr furcht stellt." Allerdings behaupten manche kirchliche Persönlichkeiten in Kommentaren zur Instruktion des Hl. Offlziums, daß die religiösen Werke der großen zeitgenössischen Künstler vom Standpunkt der Zurückweisung jeglicher Verderbtheit und Entstellung einer gesunden Kunst aus betrachtet werden müßten. Aber diese Ansicht bindet nur sie selbst und wurde niemals vom Papste zum Ausdruck gebracht. Die vom letzteren gemachten Vorbehalte sind angesichts des gefährlichen Überhandnehmens von Werken, die modern, kühn und avant gardistisch söin wollen, nur zu notwendig. Diese Werke sind allzuoft übertrieben, ab stoßend und bar jeder wahren Empfindung. Beim Besuch der jährlichen Ausstellung, die in Paris stattfindet und sich eigenartigerweise „Salon der sakralen Kunst" nennt, kann man feststellen, daß manche der Öffentlichkeit vor geführten Werke in Wirklichkeit eine Parodie des Sakralen sind und ernste Wachsamkeit erfordern. Diese Nachahmungen bringen die wahre Kunst in Mißkredit. Viele lehnen nun unrichtigerweise alles ab, statt einen Unter schied zu machen. Der Wortlaut der Erklärung der Bischöfe Frankreichs") beginnt mit zwei außerordentlich bemerkenswerten Paragraphen: „1. erkennt die Kommission an, daß jede Kunst und vielleicht noch mehr die sakrale Kunst ,lebendig' ist und daß sie dem Geist ihrer Zeit sowie ihrer Technik und ihren Mitteln entsprechen muß. 2. Sie kann sich darüber nur freuen, daß mit die berühm testen zeitgenössischen Künstler zur Arbeit an •-') Die Bischöle Frankreichs teilen sich zum Studium der Fragen, die die Grenzen der Diözese überschreiten und das ganze Land betreffen, in verschiedene Kommis sionen. Eine von ihnen, von Msgr. Martin, Erzbischof von Rouen, präsidiert, befaßt sich mit liturgischen und Pasto ralen Fragen wie mit solchen der sakralen Kunst. Das von uns zitierte • Dokument stammt von ihr. Es wurde der Versammlung der Kardinäle und Erzbischöle vorge legt, die es genehmigte. 108
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