DIE MODERNE KUNST IM SAKRALEN RAUM Die Tagung „Die moderne Kunst im sakralen Raum" vom 4. bis 7. Juli 1955 in Wilhering hat so Bedeutendes geboten, daß sich die Schriftleitung entschloß, eine Nummer der „Christ lichen Kunstblätter" dieser Tagung zu widmen und die Hauptreferate abzudrucken. Die Tagung muß als erster und gelungener Versuch in Österreich gewertet werden, eine Begegnung zwischen Prieslern und Künstlern herbeizuführen und gemeinsam wesentliche Probleme durchzubesprechen, um so die Kluft zwischen der Kirche und der modernen Kunst überbrücken zu helfen. Die große Beteiligung — gegen 200 Teilnehmer waren zusammen gekommen — bewies, daß das Anliegen dringlich ist. Auch der Herr Landeshauptmann von Oberösterreich und Kanonikus Peham als Vertreter des Hochwürdigsten Bischofkoadjutors bewiesen ihr Interesse durch ihr Erscheinen. Die Tagung wurde veranstaltet vom Katholischen Akademikerveiband Österreichs und der Österreichischen Gesellschaft für christliche Kunst (Präsident Arch. Prof. Robert Kramreiter), organisiert von Msgr. Otto Mauer und ermöglicht durch die Großzügigkeit des Abtes von Wilhering, des Hochwürdigsten Herrn Prälaten Dr. Wilhelm Ratzenböck, der die Räumlich keiten seines Klosters zur Verfügung stellte. Ihnen allen gebührt der Dank für diese Tat. Um die Begegnung von Kirche und Kunsf Günter Rombold (Linz) Es gibt Zeiten der Entfremdung und Zeiten der Begegnung von Kirche und Welt. Hinter dieser Erscheinung steht ein tiefes theologisches Problem: die Frage nach der Wertung der „Welt" überhaupt. In der Hl. Schrift heißt es: „Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut" (Gen 1,31), aber auch: „Wir wissen, daß wir aus Gott sind, die Welt dagegen sich ganz in der Gewalt des Bösen be findet" (1 Jo 5,19). Es findet sich in ihr die Auf forderung des Apostels: „Prüfet alles, und was gut ist, behaltet!", aber auch die Mahnung, sich „rein zu bewahren von dieser Welt". So kann man als katholischer Christ der Schöpfung so verschieden gegenübertreten wie Thomas und Augustinus, wie Claudel und Graham Greene. Dennoch besteht kein Zweifel darüber, daß das positive Verhältnis zur Schöpfung, wie es ein Thomas so grandios formuliert hat, viel eher der Katholizität der Kirche entspricht, wie die gegenteilige Ansicht. Vom Standpunkt der bil denden Kunst aus aber ist es klar, daß die thomistische Offenheit befruchtend, jeder jansenistische Puritanismus dagegen tötend wirkt. Dozent Friedrich Heer führte in seinem Referat „Die Situation der Kirche in der Welt von heut e", das eigentlich an den Anfang der Tagung gehört hätte, aus Zeit rücksichten aber am zweiten Tag gebracht wurde, die Impotenz der sakralen Kunst in den letzten 150 Jahren auf solche neuplatonischjansenistische Tendenzen zurück. Die Kunst dieser Zeit sei ohne Geschlechtsmacht gewesen (etwa die Kunst der Nazarener), während alle echte Kunst aus der Vermählung des Männ lichen und Weiblichen resultiere. Es habe sich hier um eine Flucht vor der Wirklichkeit, der Wahrheit und der Liebe gehandelt. Wir müssen aus der Bejahung der echten Polarität der Ge schlechter und der Liebeskraft des menschlichen Herzens die faden, geschlechtslosen Engel und Heiligen aus unseren Kirchen vertreiben und durch blutvolle Schöpfungen ersetzen. Dozent Heer warnte auch vor dem Modewerden einer gewissen Literatur, die einseitig auf Augustinus, Pascal und Kierkegaard fuße und eine Zerset zung des katholischen Bewußtseins sichtbar mache. Aber nicht nur die Kirche müsse wach sam sein, auch die Kunst sei gefährdet: ihr drohen Säkularisierung, Radikalisierung und Politisierung. — Auf andere gewagte Formu lierungen und angreifbare Thesen des Vortra genden kann hier nicht eingegangen werden. Für die Tagung waren nicht nur die Referate, sondern auch die Diskussionen wichtig, die ein ganz erstaunliches Niveau hatten. In der D i s89
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