der Wahrheit der Zeichen für das, was er sagen will zu opfern" (Art sacre 1951, Juli—^August [11—12], S. 26). Aber der Gemeinderaum ver langt auch einen Gemeindesinn, und wenn auch nichts dazu zwingt, das Gemeinsame auf die niederste, weil breiteste Stufe zu stellen, erhebt sich dennoch die Frage, ob nicht sehr bald die Grenze des Zumutbaren erreicht ist, wenn das Kunstwerk die darin beschworene Gegenwart durch ein zu heftig vom Eigengrund bestimm tes, zu einmaliges Zeichensystem überwuchern läßt. Ein gewisses Maß an Transparenz wird man unbeschadet der Dichte und Dringlichkeit der Bildzeichensprache erwarten dürfen. Ent scheidend aber ist, daß die Spannung zur Tiefe erhalten bleibt. Man hat, als im Juni 1952 die Instructio des Hl. Offiziums über die sakrale Kunst erschien, aus ihr besonders deutliche Wendungen gegen die abstrakte Kunst heraushören wollen und die darin ausgesprochene Mißbilligung und Ableh nung von Bildern, die „Entstellungen und Ent artungen der gesunden Kunst" sind, so wie das Verbot, am heiligen Ort ein „ungewohntes Bild" aufzustellen, auf Bildwerke der abstrak ten Kunst beziehen wollen. Davon kann aber, wie sich bei näherer Prüfung der Texte zeigt, durchaus nicht die Rede sein. Denn einmal möchte ich daran festhalten, daß, wenn über haupt Entstellungen im Bereich der modernen Kunst gesucht werden sollen, sie allein auf Seiten der gegenständlichen Kunst zu finden wären, da die abstrakte Kunst in ihrem Beginn geradezu von dem Willen bestimmt war, dem Zwang zur Deformation zu entgehen. Außerdem ist zu bedenken, was von verschiedenen Seiten wiederholt zum Ausdruck gebracht wurde, daß die Einschränkungen der Instructio in erster Linie ikonographische Momente betreffen, also den Bildinhalt, demnach auf die abstrakte Bild sprache, die ja ihrer Definition nach inhaltlos, wenn auch beileibe nicht gehaltlos ist, keine Anwendung finden. — So kann man getrost weitergehen und sagen, daß in der kirchlichen Kunst die Reduktion auf eine Zeichensprache in dem dichten, raumschaffenden Sinn, wie sie die abstrakte Kunst handhabt, eher die Mög lichkeit bietet, dem Dilemma der gegenständ lichen Kunst zu entkommen, die, wenn sie von der Lebenswirklichkeit zeugen soll, in der sie steht, gar nicht anders kann als deformieren oder aber, wenn sie um jeden Preis an irgend einem Kanon der menschlichen Gestalt festhält, sich zu den schmählichsten Kompromissen her beilassen muß. Es bleibt aber noch ein Einwand, der ungleich tiefer dringt, weil er vom Wesen der christ lichen Kunst als einer Kunst des menschgewor denen Gottes her erhoben wird. Selbst die Männer des „Art sacre", an ihrer Spitze Pater Regamey, die in Frankreich zu den Initiatoren einer neuen kirchlichen Kunst geworden sind, scheinen vor diesem Einwand nachzugeben und zeigen in der Frage, ob und inwieweit abstrakte Bildwerke im kirchlichen Raum Aufstellung finden dürfen, eine seltsam schwankende Hal tung, was um so bedenklicher stimmen muß, als ihnen ja in den Fenstern Manessiers in der Kirche von Les Breseux und in dem Mosaik Bazaines an der Fassade der Kirche in Audincourt Beispiele einer nichtfiguralen Gestaltung hohen Ranges vor Augen waren. — In der Tat, so fragt man sich nach der Logik dieses Einwandes, wie kann die abstrakte Kunst dem innersten Erfordernis der christlichen Kunst genügen, da diese als Vergegenwärtigung und Feier des Erlösers und seiner Heilstat an die menschliche Gestalt gebunden scheint? Christ liche Kunst ist ihrem Wesen nach inkarnierte Kunst, und diesen Gang in die Konkretheit der geschichtlichen Gestalt scheint die abstrakte Kunst aus ihrem innersten Pathos heraus nicht antreten zu wollen. Pater Regamey ist unter dem Druck dieses Einwandes ganz offensichtlich versucht, der abstrakten Kunst im kirchlichen Raum keine höhere Funktion zuzuerkennen, als die, Atmosphäre zu schaffen, d. h. aber streng genommen, sie auf eine dekorative Funktion zu beschränken, eben das, was sie, wenn sie ihrem innersten Gesetz folgt, nie sein kann und will. Wir müssen, um diesem Einwand zu begeg nen, eine Reihe von Äquivokationen auflösen, die diesem Gedankengang seine Stringenz zu geben scheinen. Zunächst: Ist die Vergegen wärtigung des christlichen Heilsgeschehens tat sächlich an die Darstellung des Menschen und seiner Taten gebunden? Bereits in der höchsten, verbindlichsten Form der heilsgeschichtlichen Vergegenwärtigung, in der Meßliturgie, be gegnen wir einer symbolischen Gebärden sprache, in der das Faktum auf eine denkbar entlegene und dennoch innerlichst zwingende Weise übersetzt wird, so, wenn der Tod des Herrn verkündet wird durch die getrennte Konsekration von Brot und Wein. Was hat die ser äußere Akt mit dem darin erinnerten und vergegenwärtigten Geschehen des Kreuzestodes für den nicht vom Glaubenslicht erhellten Sinn noch gemeinsam? Und auch im Wortgottesdienst der Messe, ich denke da besonders an die Lesungen und Evangelien der Fastenmessen, stößt man immerzu auf solche weithergeholten „Übertragungen", wo zwischen dem im Evan gelium verkündeten Geschehen und der allego rischen Vorausweisung in der Lesung kaum noch ein einziges gemeinsames Bildelement die 103
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