Opferbegehung, zum Empfang der Sakramente der Taufe, der Buße, der Firmung, zum Anhören des Gottesworts, der Ort, wo der Gläubige die Göttliche Gegenwart in gemeinsamer oder pri vater Verehrung feiert. Als die Stätte des ge heimnisvoll anwesenden Gottes ist sie der vornehmliche Ort der Heilserwirkung. Heil aber wird im Geschichtsgang gewährt wie errungen. Wenn die Heilmittel auch seit ihrer Stiftung die gleichen sind, das Gottesvolk, das sich im Mitvollzug des Erlösungsgeschehens das Heil erwirkt, steht unter den einmaligen, unwiederholbaren Bedingungen des jeweiligen Ge schichtsaugenblicks. — Das Gottesvolk heute! — Dieses Volk von Her ausgerufenen aus welcher Ferne! Priester wie Künstler denken an es mit einem Gefühl, darin sich Grauen und Mitleid mischen, und das sie nicht ertrügen ohne den winzigen Keim einer ganz und gar übernatür lichen Hoffnung. Warum befällt uns in den modernen Kirchenbauten größeren Ausmaßes, mögen sie uns sonst auch noch so sehr anspre chen durch die Sauberkeit, mit der sie aus den Erfordernissen des Kultes entwickelt sind,. das Gefühl der Leere? Vielleicht stellen sie eine ähnliche Antizipation auf die Großgemeinde dar wie einst die Basiliken der konstantinischen Zeit, die mit dem Volk der Märtyrer zugleich die Scharen der Neubekehrten, der loyalen Staatsdiener und ewig Anpassungswilligen auf nahmen, so daß es des Sturms der Völkerwan derung und der Einkehr in die frühmittelalter liche Zelle bedurfte, damit sich wieder Kräfte des Glaubenslebens speicherten, die dann die Wände der Kirche wieder in die Tiefe und Weite des romanischen Langhauses rückten. — Man spricht so viel vom Zeltcharakter der mo dernen Gotteshäuser, und es mag zutreffen, daß diese Form vom Material wie von der Glaubens situation her unserer Zeit besonders zugeordnet ist. Nur hat man die Maße vielleicht zu weit genommen und es nicht mit dem alttestamentiichen Gottesvolk gehalten, das die Geduld hatte zu warten, bis das quellende Leben selber zwang, die Pflöcke weiter zu stecken. Es kann sehr wohl sein, daß die moderne Kirchenbau kunst auf die Maße der Zelle zurückgehen muß, damit aus der Expansionskraft des Glaubens lebens sich die erfüllten großen Baukörper bilden. Das ist in unserm Zusammenhang keine Ab schweifung: denn die abstrakte Kunst hat es in einem sehr betonten Sinn mit dem Raum zu tun. Sie ist raumschaffende Kunst ihrer inner sten Formrichtung nach. Schon der Kubismus war nach dem Verzicht auf den illusionären Raum der Perspektive ein entscheidender Vor stoß in Richtung auf eine neue Räumlichkeit. Die abstrakte Kunst hat gegen den prismatisch gebrochenen Raum des Kubismus durch die un eingeschränkte Entfaltung der Primärelemente den reinen Raum gewonnen. Ihr Weg ist der zu einer immer dichteren Erfüllung des Bild raums mit Bildgegenwart. Diese Verdichtung kann einen Grad erreichen, daß man ohne Hyperbolik vom Anwesen einer Gottheit reden kann, das sich auf der Fläche durch die raum erzeugenden Spannungen im Bild ereignet. Es gibt einige Tafeln Vordemberge-Gildewarts aus der jüngsten Zeit, vor denen man solches er fahren kann. Wie steht nun dieser Raum des abstrakten Bildwerks zum Raum des Kirchenbaus? Man darf es vielleicht als Hypothese aussprechen: die Intensität eines neuen Glaubenslebens könnte sich an den Wänden und Glasflächen der Zelle erst einmal in der raumerschließenden Kraft dieser Kunst bekunden, bevor sie dazu über geht, die Wände selber zu verrücken und den größeren Raum zu schaffen. Doch damit greifen wir weit vor: denn zu allererst müßte ja die Frage geklärt sein, wel cher Art dieser Raum der abstrakten Kunst ist. Und da werden wir feststellen, daß in der strengsten, entschiedensten Ausbildung, die er je erreicht hat, in der Kunst Biet Mondrians, dieser Raum, der sich überdies konsequent vom Bildraum zum architektonischen Raum ent wickelt hat, der titanische Gegenwurf zur Na tur überhaupt, also zum Raum der Schöpfungs ordnung ist, der Raum, in dem alles auf den Willen und die Grunderfordernisse des Men schen abgestellt und das Elementare ausgeschie den ist, der völlig desakralisierte Raum, in dem der Mensch ohne Gott im positiven Ausgestalten seiner Möglichkeiten zu leben hat. Das muß man in aller Schärfe sehen, um abmessen zu können, welche Leistung der Anverwandlung erbracht werden muß, wenn das Wagnis eingegangen wird, diese Möglichkeiten der abstrakten Kunst in den Dienst des Kirchenbaus zu nehmen. Die geschichtliche Bewegung, die durch die unerhörte Herausforderung des Mondrianschen Raums ausgelöst wurde und deren Umfang man erst voll ermißt, wenn man bedenkt, wie er auf Theorie und Praxis des Bauhauses und auf die Architektur in Mitteleuropa und in den Ver einigten Staaten gewirkt hat, führt im notwen digen Gegenschlag aus dieser Radikalität her aus. Es erweist sich nämlich, daß die Position im rein auf den Menschen bezogenen, nur vom Menschen zu erfüllenden Raum unhaltbar ist. Schon in der Umgebung Mondrians drängt die Entwicklung zu dynamischen Auflockerungen. Das Elementare wird wieder einbezogen, der Raum artikuliert sich rhythmisch, und damit ist 100
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