Christliche Kunstblätter, 93. Jg., 1955, Heft 1

aUvSgesprochen katholische Angelegenheit. So erlebte er in den Niederlanden, in Frankreich, in Spanien damals seine Blüte, nnd überall, wo er auftrat, erhielt er gleich zeitig ein national verwandeltes und gepräg tes Gesicht. Damit hängt es zusammen, daß der Barock in den romanischen Ländern eine andere Note hat als in den germani schen, vor allem in Süddeutschland und Österreich. Flier ist er weniger herb als in Italien, weniger „gotisch" als in Frankreich, weniger gluthaft als in Spanien, dafür aber schwingender und musikalischer. Man sehe sich daraufhin nur die österreichischen und bayerischen Barockkirchen an, Stift Melk, die Wies, Weltenburg, Steingaden, Otto beuren, Vierzehnheiligen usw. Dabei ist be merkenswert, daß sich im Deutschland der damaligen Zeit, in dem der Dreißigjährige Krieg wütete und jedes Eigenleben der Kunst hemmte, das Fremdartige des Italie nischen länger hielt als anderswo. Auf der andern Seite wiederum begann für den deutschen Raum mit dem Jahre 1680, als anderswo bereits der Spätbarock ansetzte und leise Zeichen der Auflösung und des Verfalls zu spüren waren, erst eine wahre Flochblüte des Barock, und zwar gleicher maßen in der Architektur wie in der Plastik, weniger allerdings in der Malerei, in der Italien die Führung nicht verlor, sie höch stens mit Spanien und den Niederlanden teilte. Damals, in der Zeit zwischen 1700 und 1780, lebten und wirkten in Deutsch land die großen Baumeister Dientzenhofer, Pöppelmann, Bähr, Asam, Balthasar Neu mann, Fischer von Erlach, Lukas von Hildebrandt, Prandtauer, Thumbs, Beers, Schlaun und viele andere, denen sich ebenso bedeutende Bildhauer zugesellten. Will man nun den verwegenen Versuch machen, in wenigen Sätzen auf das Wesen des Barock hinzuweisen, sO möge gesagt sein, daß er eine Kunst ist, die vor allem wirklichkeitsnah sein will. Als solche löst sie in der Betonung des fülligen Lebens bis in alle Bezirke, vor allem auch bis in die leiblichen Bezirke hinein, den ver geistigten Stil des Manierismus ab. Die Fassaden der Kirchen sind nun schwellend und zeugen so von männlicher Kraft. Die Kuppeln recken sich wie starke Leiber auf wärts, einen doppelten Willen ausdrückend, den zu herrschen und den, eine ganze Welt zu besitzen, zu umfangen, und zwar im Sinne der Allumfassendheit der katho lischen Kirche. Wirklichkeitsnähe wird im Barock von selber zur Liebe zum natür lichen Licht der Sonne im Raum, zur Liebe zum kaum bekleideten Körper, vor allem bei Putten und Engeln, zur Liebe zu glänzen den Fassaden, zur Eroberung und Dienstbarmachung gewaltiger Plätze, wie des Pe trusplatzes in Rom, zur Bewegung um jeden Preis, vor der kein Kirchengrundriß sicher ist, keine Fassade, kein Altar und auch kein Heiliger. Barock ist geradezu Rausch der Bewegung und damit Feind jeder Schwere wie jeder Melancholie. Barock ist ohne Zweifel der heiterste der Kunststile. Er ist es bisweilen so sehr, daß man beim Eintritt in eine barocke Kirche geradezu darauf wartet, die heiteren Klänge mozartscher Musik zu hören. Damit allerdings ist auch schon an ein Gefährliches des Barock ge rührt, gefährlich weniger als Kunst, mehr aber als kirchliche Kunst. Die Ver wischung der Grenzen ist zu leicht möglich, und die dem Christen so notwendige S a m m 1 u n g geht zu leicht im heiteren, malerischen Gewirr verloren. Barock, wie bewundernd man vor, ihm als Kunst stehen mag, ist ein wenig zu 1 a u t, um dem Hei ligen auf die Dauer gut zu tun, dessen Raum das Geheimnis ist. Von der bisweilen schmerzenden Helle einer barocken Kirche flüchtet man gern in das beruhigende und umfassende Dämmern einer romanischen Basilika, von der bewunderten Madonna eines Feuchtmayer geht man gern zur kre tischen Ikone der immerwährenden Hilfe, weil sie das erhaben Himmlische stärker hält als jene, weil man vor ihr beten kann, beten ohne irdische Schönheit bewundern zu müssen. Dennoch wäre es für den Christen töricht, nur Verneinendes über den Barock sagen zu wollen. Barock ist gewiß nicht nur der Wille zu Wirklichkeit und zur Natur, er offenbart auch einen Willen zur harmonischenEinheit. Einheitlich ordnen sich in ihm Landschaft zur Archi tektur, Architektur zur Plastik, Plastik zur Malerei, und alles ist getaucht in das strah lende Licht einer paradiesisch gewollten Welt. Damit allerdings erhält der Barock auch eindeutigen Bekenntnischa rakter in einer Zeit, die besonders schmerzlich empfand, daß durch die Refor mation die alte christliche Einheit zerstört war und daß ebenfalls die Einheit zwischen Natur und Übernatur verloren gegangen war, seitdem Luther die grundsät z-

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