Christliche Kunstblätter, 93. Jg., 1955, Heft 1

So ist auch dieses Jahrbuch wieder eine schöne Fortsetzung früherer Veröffentlichungen der StLukas-Gilde, wie des Buches von 1952, das über die Reformarbeit auf dem Gebiete der Paramentik (Schwester Fluerler-Stans) berichtet. All diese Veröffentlichungen wollen neben der grundsätzlichen Behandlung der drängenden Pro bleme neuer Kirchenkunst, aber besonders den Zu gang zum Verständnis des originalen Kunstwerkes vermitteln und zu seiner Besichtigung einladen. Der Initiator der St.-Lukas-Gilde, Robert Heß, Hotelinhaber in Basel, hat zwei wertvolle Führer über Schweizer Kirchenkunst verfaßt: 1939 einen Führer zu den neuen Glasmalereien, 1952 einen all gemeinen Führer zu den modernen kirchlichen Kunstwerken der Schweiz. Einen vorzüglichen Überblick über den Stand vermittelte die große Ausstellung moderner christ licher Kunst in Zürich, August—September 1954. Das Eindrucksvollste war wieder der mit Plänen, Photos und Modellen dargestellte Kirchenbau der Schweiz und daß es sich flabei um fertige, in Aus führung befindliche und zur Ausführung bestimmte Projekte handelte, nicht um bloße ,,Studien". Ebenso die Tatsache, daß weitaus die meisten anderen Ausstellungsstücke bereits aus kirchlichem Besitz stammten oüer Aufträge waren. Im Gegensatz, zu unseren derartigen Ausstellun gen, die in erster Linie zeigen wollen und oft nur zeigen konnten, was sich alles machen ließe, wenn nicht ein ängstliches Beharrungsvermögen der Ent faltung so oft hinderlich wäre. So vorbildlich sachlich kurz und unpathetisch die Eröffnung dieser Ausstellung war, so klar und sicher ist die Schweiz in der Beurteilung der eige nen Leistung. Der Gunst, zwei Vernichtungskriegen entgangen zu sein, ist tnan 'sich wohl bewußt. Es konnte in zwischen auf Schweizer Boden mancherlei reifen. Anderseits hätte die gesicherte Existenz auch dazu verleiten können, am Herkömmlichen einfach fest zuhalten. Aber die Schweiz hat sichtlich die Not der anderen miterlebt und miterlitten und daraus die Kräfte geschöpft, diesen Aufbau ihrer neuenKirchenkunst zu leisten. Einen schönen kleinen Überblick darüber konnte auch'der Schweizer Teil der internationalen Aus stellung für Christliche Kunst in der Wiener Sezes sion (Herbst 1954) vermitteln. Im gleichen Rahmen wußte auch der Basler Kirchenarchitekt Flermann Baur in einem ausgezeichneten Vortrag Wege und Ziele neuer Kirchenkunst überzeugend darzulegen. Helvetia docet! S. Kunstnachrichten aus Italien RESTAURIERUNGEN. Die Restaurierungs tätigkeit ist derzeit in Italien und besonders in der Hauptstadt Rom derart rege, daß nur die wichtig sten Arbeiten genannt werden können. Die Kirche S.MARIA AD MARTYRES ist allen Rompilgern und Freunden der Kunst unter dem Namen Pantheon wohlbekannt. In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres waren die 16 schwe ren und wuchtigen Granitsäulen der Vorhalle meist von einem Stahlgerüst umgeben. Dieser ehrwürdige Tempel, der zu den besterhaltenen antiken Bau werken Roms zählt, mußte wieder einer Überprü fung und Restaurierung unterzogen werden. Er hat auch schon eine reich bewegte Geschichte von 20 Jahrhunderten auf seinen Schultern, wobei wir nicht auf die Frage eingehen wollen, ob die Re konstruktion unter Kaiser Hadrian (117—138 n. Chr.) einen völligen Neubau oder nur eine Ver schönerung des Ihermensaales der Agrippa-Thermen von 27 v. Chr. darstellt. Als im Jahre 609 Papst Bonifaz IV. das heidnische Pantheon in eine Kirche verwandelte, ließ er eine Restaurierung durchführen. Die letzten Restaurierungen erfolgten 1770 und 1902. Nun zeigten besonders die Kapitäle schwere Verwitterungserscheinungen. Diese sind nicht aus Granit oder dem einheimischen Travertin gemacht, der sehr widerstandsfähig ist und sich an der Luft immer mehr erhärtet, sonuern aus weißem Marmor, und zwar nicht aus Carrara-M armor, son dern aus griechischem Pentelion-Marinor. Den Grund hiefür sieht man darin, daß der Transport von Griechenland zu Wasser damals leichter zu be werkstelligen war als auf dem Lanuwegc von Carrara her. Durch Anwendung von neuen Konservierungs- unü Restaurierungsmethoden ist nun die ses Bauwerk wieder für weitere Jahrzehnte ge sichert. SANTA MARIA ANTIQUA AM FORUM. Von Giacomo Boni wurde in den Jahren 1900—1901 bei der systematischen Freilegung des römischen Fo rums die Kirche S. Maria Antiqua wieder auf gefunden. Viele Meinungen und Mutmaßungen, die schon vorher über diese älteste Marienkirche im alten Zentrum der Hauptstadt des Imperiums ge äußert worden waren, fanden damit ihre Klärung. Die Kirche ging aus einem antiken Gebäude her vor, nach einigen aus dem Archiv und der Biblio thek des angrenzenden Augustus-Tempels, aber wahrscheinlicher aus einer großen Vorhalle des darüberliegenden palatinischen Kaiserpalastes aus der Zeit Domitians. Spätestens im 6. Jahrhundert wurde hier die älteste Kultstätte zu Ehren Mariens eingerichtet, die reiche malerische Ausstattung stammt aus der Zeit der Päpste Johann VII. (705 bis 707), Zacharias (741—752) und Paul I. (757 bis 767). Als sich wegen des Bilderstreites aus Byzanz verjagte griechische Mönche auf den Pälatin ge flüchtet hatten, wurde die Kirche ihrem Kloster ein gefügt. Im 9. oder 10. Jahrhunoert wurde sie wegen der Beschädigung durch Erdbeben und wegen der Einsturzgefahr des palatinischen Kaiserpalastes veilassen und der Kult nach S. Maria Nova verlegt. Auf höherem Boden, auf dem Schutt und auf den Ruinen der eingestürzten Paläste wurde dann spä ter die Kirche S. Maria Liberatrice errichtet, die aber 1900 wieder abgetragen wurde zur Ausführung der Grabungen, die das alte (uebäude mit der g^nzen Pracht seiner malerischen Ausstattung im früh mittelalterlich römischen Stil wieder ans _ Licht brachten. An manchen Stellen zeigen sich vier bis fünf Freskenschichten übereinander. 1954 wurden die Malereien gesichert, die großen Gewölbebogen durch Glaswände geschlossen, und am 21. Novem ber, gegen Ende des marianischen Jahres, wurde diese uralte Marienkirche nach ungefähr looojäh3.3

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