Christliche Kunstblätter, 93. Jg., 1955, Heft 1

Nachdem die neugewählten Mitglieder ihre Sitze im Kunstsenat eingenommen hatten, eröffnete Prof. Holzmeister die Sitzung und hob dann her vor, daß der Kunstsenat keine Schaustellung ver dienter Mumien und serviler Jasager sei, sondern daß er steten Kontakt mit der Jugend wünsche. Die Parole sei die Förderung der Werke öster reichischer Prägung und die Förderung der künst lerischen Jugend. Danach hielt Dr. Max Mell seinen Festvortrag, der sich mit der österreichischen Kunst seit der Jahrhundertwende auseinandersetzte. Dr. Pietro Modesto sprach am 4. Februar /p55 im Rahmen des Limer JVesen der Ikonenmalerei der Ostkirche. katholischen Bildungswerkes über das Die Kultbilder des Ostens, die Ikone, sind mehr als bloße Darstellungen aus der Heilsgeschichte. Sie haben in der Ostkirche einen höheren Rang. Vergleichbar mit unseren Sakramentalien vergegen wärtigen sie nie bloße Szenen, sondern sehen diese stets unter einem tieferen theologischen Aspekt. So ist das Malen solcher Bilder auch nicht Handwerk oder Kunstübung, es ist Gottesdienst, auf den man sich durch Gebet und Fasten vorbereitet. Wie bestimmte liturgische Formeln, sind für die Ikone Formen und Farben ebenso streng festgelegt wie die Komposition bestimmter Figuren und Sze nen. Jede Figur hat im Bilde ihren bestimmten Platz, ihre besondere Geste. Die Linien der stili sierten Gestaltungen sind expressiv gesteigert, die Farben ihrem Symbolgehalt, nicht naturalistischen Gesichtspunkten entsprechend gewählt. Dr. Modesto wußte überzeugend ein Wesen ost kirchlichen Glaubens, die besondere Betonung der Gottheit Christi im Charakter dei Ikone, aufzu zeigen und temperamentvoll zu interpretieren. Den Vorrang in der Hierarchie der Farben der Malerei der Ostkirche nimmt als Sinnbild des Lich tes, der irdischen Sonne und der „Sonne Christus" das Gold ein. Es überzieht in feinsten, zarten Strah len wie ein edles Gespinst als ,,Assist" die Gewän der der göttlichen Personen, der Muttergottes, der Engel und Heiligen, umgibt als Gloriole die Köpfe und liegt als heiliger Glanz auf den Zinnen Jeru salems und der Paradiesesbäume. Dazu ist der blau grüne Grund des Himmelsraumes ein .symbolisch und farblich schöner Gegensatz. Das Schwarz der Trauer und des Schmerzes fehlt in keinem Gewand eines Menschen, dem diese Farbe der Buße zu kommt. Der Purpur der Morgenröte wieder i.st typisch für die „Heilige Weisheit" und die Gestal ten der Engel. Wir wollen nicht vergessen, daß der Weg öst licher und westlicher Kirchenkunst, von dem Zen trum Byzanz immer wieder befruchtet, Jahrhun derte hindurch parallel gegangen ist. Es war die Blütezeit des echten Kultbildes, wie es uns in den Mosaiken Venedigs, Ravennas oder Süditaliens oder in den romanischen Wandmalereien begegnet. Wenn etlichen Besuchern des Vortrages, wie uns schien, der Zugang zur Ikonenmalerei nicht leicht fiel, so müssen wir dies wohl unserer Entwicklung im Westen zuschreiben, die im Gegensatz zur Er starrung, die dem Osten drohte, und der er auch vielfach erlag, bei uns in die seichte Bahn der religiösen Bildanekdote und Idylle führte. Der Vortrag vermittelte so nicht nur einen leben digen Einblick in ostkirchliche Glaubenshaltung, er war auch Anlaß zur Besinnung, wo wir selbst ste hen und mit unserer Kirchenkunst stehen sollten. Das ist natürlich nicht als eine Aufforderung zii einer äußerlichen Nachahmung der Ikonenmalerei zu verstehen. Und da solcherlei Vorträge nie ohne eine wenig stens kleine, ganz konkrete Nutzanwendung ver klingen sollen, möchten wir vorschlagen, sich die eine oder andere schöne Wiedergabe von Ikonen, wie sie heute leicht zu kaufen sind, anzuschaffen, oder doch wenigstens eine Postkarte oder Andachts bildchen darnach für das Gebetbuch. Ein solcher Besitz sollte dann wieder zu einer nicht zu flüch tigen Betrachtung dieser tiefen Sinnbilder anregen und unsere Gedanken auch häufiger auf die schis matischen und verfolgte unierte Kirche des Ostens lenken. Große Kunstauktion in Stuttgart Die 20. Auktion des Stuttgarter Kunstkabinetts Roman Norbert Ketterer vom 24. bis 26. November 1954 war wohl die bedeutendste Versteigerung mo derner Kunstwerke in Deutschland seit 194.^- Die wichtigsten Objekte waren vorher einen Monat lang ausgestellt, so daß auch die Öffentlichkeit regen Anteil an der Auktion nahm. Am ersten Tage erreichten Werke aus dem XV. bis XIX. Jahrhundert nur mäßige Preise. Einige Dürer-Holzschnitte wurden zwischen 130 und 780 DM verkauft, einige andere gingen als unver käuflich zurück, ebenso der seltene Kupferstich „Die Kreuztragung" von Schongauer. Ein Spitz weg-Gemälde „In der Kirche" ging um den Aus rufpreis von 4000 DM weg. Größerer Beliebtheit erfreuten sich kolorierte Lithographien von Daumier und Zeichnungen Moritz von Schwinds, die durch zwei Liebhaber hoch hinaufgesteigert wur den. Toulouse-Lautrec erreichte beachtliche Preise; den höchsten Preis aber erzielte das Porträt des Apothekers Clemens von Sicherer von Leibi mit 23.500 DM. Den Höhepunkt erreichte die Auktion erst am zweiten und dritten Tag bei der Versteigerung der modernen Kunstsammlung der Schwedin Neil Wai den, deren Mann Herwarth der geistige Mittelpunkt der jungen Künstlergeneration um 1910 war. Eine große Zahl von Graphiken von Barlach, Beckmann, Meckel, Kirchner, Kollwitz, Lehmbruck, Marc, Nolde, Schmidt-Rottluff wurde verkauft, wobei man manches schöne Stück um einen erträglichen Preis erwerben konnte. Unwahrscheinlich kletterten die Preise dagegen bei den großen Stücken hinauf. Die deutschen Käufer mußten hier resigniert das 31

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