Kunst und Heiligung Von Robert Braun, U p s a 1 a I. Um die Wende des XV. Jahrhunderts, also zur Zeit der Vollendung der Renais sance, gibt es unter den Meistern Italiens eine Gestalt, die zu den tragischen zählt, da sie zwischen zwei Entscheidungen nur schwer den Weg findet. Es ist B a c c i o d e 11 a Porta, ein Künstler hohen Ran ges, den es gleichwohl bei der Staffelei nicht duldet, sondern zum — Priesterstand drängt, wo er freilich den Frieden auch nicht findet. wSchon als Dreiundzwanzigjährigem ge lingt ihm ein „Jüngstes Gericht" von solch innerer Wucht und farbiger Herrlichkeit, daß alles sich tief davon angesprochen fühlt, zur Begräbniskapelle von Santa Maria Nuova eilt, wo es als Fresco der Außen wand zu sehen ist, und bewundernd Baccio den größten Meister des neuen Florenz nennt. Kaum gibt es damals einen Berühm teren in dieser Stadt, ausgenommen einen: den gewaltigen Propheten von San Marco, •S a V o n a r o 1 a. Aber gerade dessen Über macht ist es, die den jungen Maler alles Lob überhören und plötzlich umschwenken läßt, um diesem fanatisch nach Buße und Reini gung Rufenden zu dienen. Kunst erscheint in Savonarolas Lager als etwas Fernes, nicht unbedingt Wichtiges, in einem sehr düstern Licht. Sie wird als etwas den Men schen Gefährdendes, ihn um sein Seelenheil Betrügendes entlarvt, ihr Ausschweifen ins Profane geradezu verfolgt. So schreibt der Kunstschriftsteller V a s a r i, der noch in zeitlicher Nähe dieser Vorgänge lebt: „Die Bewohner der Stadt (Florenz) gerieten durch seine (Savonarolas) Reden in Eifer, und da daselbst der alte Brauch herrschte, zum Karneval auf dem Markte ein paar Hütten von Reisig und Holz zu bauen, die man am Fastnachtsabend verbrannte, wäh rend Männer und Frauen, einander bei den Pländen fassend, Liebestänze und Gesänge aufführten, so wußte Fra Girolamo Savona- •rola es dahin zu bringen, daß an jenem Tage eine große Anzahl Malereien und Bild werke, welche nackte Gestalten enthielten und zum Teil von trefflichen Malern aus geführt waren, samt einer Menge Bücher, Lauten und Lieder nach dem Markte ge bracht und zum großen Schaden besonders für die Malerei verbrannt wurden. Plierzu trug Baccio alle Studien herbei, die in Zeichnung nackter Gestalten von ihm ge macht worden waren und seinem Beispiele folgten: Lorenzo di Credi und viele andere, welche den Namen Klagebrüder führten." Dies war ein entscheidendes Opfer für den Künstler. Aber Baccio begreift noch tiefer die Verpflichtung des asketischen Ru fes. Als er bei den Kämpfen gegen Savona rolas Feinde mit anderen Verteidigern in San Marco eingeschlossen wird, gelobt er, falls er heil davonkäme, in den Domini kanerorden einzutreten, ein Gelübde, das er nach seiner glücklichen Rettung wahr macht. Er entsagt dem Liebsten, das er kennt: der Beschäftigung mit der Malerei, die ihm so hohen Ruhm eingetragen hat, um einzig der inneren Heiligung zu leben. Vier Jahre führt er im Zeichen von Sa vonarolas Opfertod das strenge Leben eines Mönches. Aber langsam steigt in ihm wie der unbezwinglich die Sehnsucht auf, der alten Kunst zu dienen, und da ihn sogar der Prior und die Brüder des Klosters darin bestärken, entzieht er sich nicht länger sei ner Berufung und beginnt wieder zu malen. Das erste Gemälde ist die Eigur eines Hei ligen. Era Bartolomen, wie er nun heißt, ist also wieder Künstler, die Floren tiner haben wieder Gelegenheit, seine Ta feln zu sehen, aber es kommt kein Beifall mehr wie einst. Denn nun überstrahlen zwei neue Sterne alles, was geschaffen wird: Michelangelo und R a f f a e 1. Die Gemälde des Klosterbruders erscheinen den Florentinern dagegen wie Schülerarbeiten. Tief enttäuscht reist Fra Bartolomeo nach Rom, wo er, um neu zu studieren und ver lorene Übung nachzuholen, nun leben will. j,Was er auch unternahm", schreibt Vasari, ,jWollte ihm jedoch in jener Luft nicht so wohl gelingen als in Florenz. Die übergroße Menge der verschiedenen alten und.neuen. Werke jener Stadt erschreckte ihn, und die 1
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