Christliche Kunstblätter, 93. Jg., 1955, Heft 1

Kirche ist größtentheils durch die Gutthätigkeit des Herrn Patronus Sr. Excellenz = Grafen v. Zinzendorf und seiner Frau Gemahlin Theresia erbaut. Der Bau wurde im Jahre 1742 begonnen und im Jahre 1755 vollendet. 0(mniaj A(d) M(aioremJ D(ei) G(loriam). .Sub Par(ochoJ A(dniodum) R(everendo) D(omino) Math (las) Stei ner." Die Inschrilt war an die Westwand des Orgelchores (Innenseite des Westtur mes) gemalt und war einer früher vorhan den gewesenen, wie deutlich zu sehen war, nachgebildet, beit der Renovierung ist die Inschrift vereinfacht und lautet nunmehr: „Erbaut durch die Guttat des Grafen von Zinzendorf 1742—1755 O. A. M. D. G. Sub Par. A. R. D. Math. Steiner." Auch gibt schon h'rast 1828^'^) das Jahr 1755 als Jahr der Fertigstellung der Kirche an. Dnter dem Patron, der üen Bau der Kirche weitgehend förderte und unterstutzte, ist nicht, wie die NÖ. Topographie^-") nach Schweickharclt"-) angibt, urai Julius Zin zendorf (gest. 1780J zu verstehen, sondern Graf l^uawig /.inzendorf, was aus der bei gefügten Dennung der Gattin i'heresia, geb. Auersperg, die ja auch die Grundstein legung vornahm, hervorgeht. Weiters ist es auch aus den Gebensdaten des Graien Juiius ersichtlich. Graf Gudwig ist aber bereits 1742 gestorben, so daß allem Anscheine nach der Grähn Theresia, die später auf Schloß Wasserburg (bei Pettenbrunn, BH. St. Pölten) lebte, die Weiterführung des Baues besonders am Her^ien lag. Schon Schweickhardt erwähnt: „. . . die frühere Kirche, welche an Stelle der jetzigen stand, von der auch noch Spuren eines 'iheiles der Grundmauern sichtbar sind, ward wahr scheinlich 1723 wegen Bauiälligkeit abge tragen, darauf die dermalige schöne Kirche vom Grafen Julius von Zinzendorf (dazu vgl. oben) zu bauen angefangen und im Jahre 1755 vollendet; doch deren ganze Ausschmückung erlebte er nicht, da dann noch manches in schönerem Style errichtet worden wäre." Als Baumeister der Kirche wird seit Fahrngrtiber der Bau- und Maurermeister Josef Wissgrill genannt, der in St. Pölten ") Kirchl. Topogr. VII, S. 31^- ") Topographie von NÖ., V, S. Sia. ") Sclrweickhardt III, S. 76,; vgl. zur Genealogie der Zinzendorf-Pettenegg, a. a. O. lebte und ein Schüler Prandtauers war^®). Im Nachlaß Fahrngrubers hndet sich die Notiz: „Maurermeister Wisgrill aus Sankt Pölten leitet den Bau." Fahrngruber hat diese Erkenntnis, die er auch in seinen bei den Publikationen (1885 und 1894) nieder legte, dem seither verschollenen von Pfar rer Paul Renk (1847—1852) angelegten Memorabilienbuch der Pfarre Karlstetten entnommen, das seinerseits wohl auf heute nicht mehr vorhandenen originalen Auf zeichnungen fußte^*). Der Neubau aber be traf nicht den Turm, der in der mittelalter lichen Form bis 1769 erhalten blieb. In diesem und dem folgenden Jahre wurde auf dem Untergeschoß des alten Turmes der heutige errichtet, die Turmbekrönung er fuhr seither noch zweimal Abänderungen und stammte in der Form bis 1945 aus den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhun derts und wurde von Zimmermeister Schania aus Traismauer errichtet. Durch Kampfeinwirkungen des Jahres 1945 schwer beschädigt, wurde der Turmhelm 1948 in gleicher neubarocker Form wiederher gestellt, wobei allerdings anstatt der bis herigen Kupferverkleidung gestrichenes Weißblech verwendet wurde. Für den Turmbau 1769/70 können fol gende Belege angeführt werden. Am 13. Juni 1768 richtete der damalige Pfarrer von Karlstetten, Leopold Unterweger, eine Bittschrift an das Konsistorium der Pas sauer Diözese, worin es unter anderem ") Fahrngruber, Aus St. Pölten 1885, S. 247: „. . . bürgerlicher Baumeister Josef Wissgrill aus St. Pölten, der seit 1741 die Pfarrkirche von Karl stetten baute . . " — Über Baumeister Josef Wisgrill vgl.: Thieme-Becker, Allg. Künstlerlex., Bd. 36 (Lpz. 1947), S. Iii; ferner: Riesenhuber, Barockkunst, S. 33, 266, 275, 308; Lebens daten: geb. um 1696; verehelicht mit Sophia Nuß bethin, St. Pölten, Dompfarre (Traubuch 2, fol. 320), am 11. Juli 1723; als Zeugen Jakob Prandtauer und Josef Munggenast: Consenserteilung und An- und Aufnahme als Bürger am 19. Mai 1723 (Ratsprotokolle St. Pölten 1744/56, fol. 384, St. Pölten, Stadtarchiv). Gest. 22. Juni 1772 (St. Pölten, Dompfarre, Sterbebuch 3, fol. 101). „Josef Wissgrill, Burger und Maurermeister, Stadt 63, im 75. Jahr alhier." Außer dem Kirchenbau von Karlstetten gehen auf ihn zurück: der Pfarrhof und vielleicht der Kirchenbau von Bischofstetten (1746). der Chorbau in Gerersdorf (1747), die Kirchenerweiterung von Blindenmarkt (1750) und der Bau des Kirchturmes von Loosdorf, 1734 (Urkunde in der Turmkapsel). ") Fahrngruher, Nachlaß, Manuskript, Notizen über Karlstetten. 19

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