Christliche Kunstblätter, 93. Jg., 1955, Heft 1

Marul im Großen Walsertal eine Taber nakelbekleidung zu schaffen, stand die Künstlerin in der Mitte ihres vierten Lebensjahrzehnts. Von da ab folgte Auftrag auf Auftrag in steter Folge. Ihre erste Auf gabe löste sie in Zellenschmelz auf Kupfer. Die Türen des Tabernakelschreines zeigen die vier Evangelistensymbole sowie Ähren und Trauben als Symbole des Altarsakra ments. Die Seitenwände tragen den Pelikan, den Fisch mit dem Brotkorb und die Hirsche an der Quelle. Ein Auftrag des Jahres 1951 zur Schaf fung von wesentlich größeren Tabernakel türen für Flohenems, die einen roten Mar morschrein verschließen sollten, wurde unter Verzicht auf die Farbigkeit der Schmelzarbeit in außen vergoldeter, innen versilberter Kupfertreibarbeit gelöst. Die Türen zeigen an der Außenseite musizie rende, an der Innenseite weihrauchschwin gende Engel. Auch bei der Tabernakel bekleidung für die moderne Fatima-Kapelle im Stollen bei Langen bei Bregenz wurde noch Kupfertreibarbeit gewählt. Die Vor derfront zeigt den Propheten Elias, der dem Engel Brot und Wein reicht, die Sei tenwände zieren der Hirsch an der Quelle und das Lamm. Im Jahre 1953 folgte jedoch wieder eine rabernakelbekleidung in Schmelzkunst arbeit für die Kirche in Buch bei Wolfurt, Vorarlberg. Hier wählte Gertrude Stöhr die Technik der Schmelzmalerei auf trans parentem Grunde in lasierenden Farben. Die Darstellungen zeigen in einzelnen Ta feln Christus als Schöpfer der Welt, die Kreuzigung, die Ausgießung des Hl. Gei stes, das Letzte Gericht der Seligen, den Durchzug durch das Rote Meer, das Mannawunder, die Brotvermehrung und das Letzte Abendmahl. Ein 1952 für die Seekapelle in Bregenz gearbeiteter Meßkelch in farbigem Zellen schmelz auf schwarzem Grunde trägt an der Cuppa die Szenen Kain und Abel, das Opfer des Melchisedech, Moses mit der ehernen Schlange, das Opfer Isaaks und das Opferlamm. Der Knauf (Nodus) ist mit Ähren und Trauben geziert. An dem Fuß sieht man die Geburt des Herrn, seine Kreuzigung und Himmelfahrt sowie Chri stus in der Apokalypse. Ein anderer Meß kelch in Zellenschmelz auf grünem Grunde trägt Darstellungen aus der Offenbarung des hl. Johannes. Ein Staiidkreuz aus vier zehn montierten Tafeln in Zellenschmelztechnik trägt im Kreuzungspunkt einen Kruzifixus, auf den Kreuzbalken die Sta tionen des Kreuzweges. Ein ganzer Kreuz weg aus 14 Bildern in Schmelzmalerei wurde 1954 für das Kloster der Guten Hirtinnen in Wiener-Neudorf bei Wien fertiggestellt. Die Kirche des Jungarbeiter dorfes Gießhübl bei Mödling erhielt eine Tabernakelbekleidung in getriebenem Kup fer, von vier Engeln geziert, sowie einen erlesen schönen Meßkelch in Zellenschmelz auf weißem Grund. Schließlich folgten die Tabernakeltüren für die Spitalskirche in Bregenz, die in Zellenschnielz das Paradies, Elias mit dem Engel, die Aufopferung im Tempel sowie Ähren, aus denen Jünglinge und Trauben aus denen Jungfrauen sprie ßen — farbig auf dunkelblauem Grunde — zeigen. Die jüngste Arbeit Gertrude Stöhrs wurde endlich für Oberösterreich, ihre mütterliche Pleimat, geschaffen. Im Auf trage von Architekt Foschum gestaltete sie die Bekleidung der Tür zur Unterkirche des neuen Gotteshauses zu St. Berthold in Scharnstein. In Kupfer getrieben zeigt das Bogenfeld der Tür Symbole der Dreifaltig keit, das Mittelfeld die Gestalt dieses jüng sten Heiligen des Landes, dessen Heilig sprechungsprozeß eben zuläuft, flankiert von zwei Szenen aus der Bertholdslegende. Darunter trägt ein Schriftband die Bitte: „Heiliger Berthold bitte für uns" und als Abschluß trägt die Sockelzone der d ur die Ansicht des Ortsbildes von Scharn stein mit dem neuen Gotteshaus im Zu stand seiner noch bevorstehenden Voll endung. Der zuletzt genannte Auftrag berechtigt zu der Hoffnung, daß auch ihre mütterliche Heimat Oberösterreich sich einen repräsen tativen Anteil an dem Schaffen dieser jun gen Künstlerin im Dienste der Kirche sichern wird, deren Werke in wenigen Jah ren schon den weiten Raum von Vorarlberg und Südtirol bis Niederösterreich zu er obern wußten. Insbesondere ist zu erwarten, daß auch Oberösterreich die Gelegenheit ergreift, um dem Beispiel der anderen Bun desländer wie auch Frankreichs, Deutsch lands, Italiens, der Schweiz usw. zu folgen und die uralte Kunst der Schmelzarbeit wie in früheren Jahrhunderten wieder in den 10

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