Christliche Kunstblätter, 92. Jg., 1954, Heft 2

an alten Vorbildern gerade die manieristischen Züge und ausgeschriebenen Formeln sich suchte und aufgriff, ist verständlich. Was konnte aus dieser Einstellung, die wir eingehender schildern mußten, zusam men mit dem Unternehmergeist der Grün derzeit schließlich für eine echte Wieder geburt des Glasfensters gewonnen werden? Umfangreiche Regotisierungen, gewaltige Programme zur Fertigstellung alter Dome und schließlich großzügige Neubauten in mittelalterlichen Stilen benötigten einen lei stungsfähigen Apparat, dem Tempo der neuen Epoche entsprechend. Wenn man bei den vielen nun gegründeten Glasmalerei werkstätten von „kirchlichen Kunstanstal ten" und „Fabriken" sprach, so hatte das durchaus seine Berechtigung. Eine strenge Arbeitsteilung beschäftigte eine häufig weit über hundert gehende Schar von Ent werfern, Glaszuschneidern, Bordüre-, Tep pich-Ornament-Architektur- und Figuren malern gegen eine, einem Fabrikbetrieb dieser Zeit auch entsprechende karge Entlöhnung. Jahrelang mußte man Bandorna mente malen, bis man in die nächst höhere Kategorie der Teppichmustermaler auf rücken konnte. Nicht zufällig hieß in einem westdeutschen Betrieb diese unterste Abtei lung bei den Malern „Sibirien". Mußten doch oft bis zwanzigtausend Stück des glei chen Motives hergestellt werden. Daß dabei auch Umdruckverfahren und Schablonieren üblich waren, konnte die Wirkung kaum noch verschlechtern. Einen einmal in dieser Richtung einge spielten Betrieb auf eine künstlerisch frucht barere Arbeitsweise umzustellen, wie es bei spielsweise Dr. Oidtmann bei seiner Werk stätte in Linnich schon 1900 vermöchte, mußte auf den Widerstand der auf diesen Fabriksbetrieb gedrillten älteren Arbeits kräfte stoßen. Von den, im Vergleich zu den barocken Mäzenen etwa, einseitig intellektualistisch erzogenen Auftraggebern war M'ohl auch kein tieferes künstlerisches Ver ständnis zu erwarten! Wie allein schon dieses Beispiel beweist, hat es nicht an Selbstkritik der Glasmaler gefehlt und an Versuchen, die unfruchtbare Situation zu überwinden. Insbesondere der intensive Umgang mit alten Werken hatte den Blick immer mehr geschult und das Ungenügen der eigenen Leistungen erken nen lassen. Nun waren aber einmal diese Großunternehmen aufgebaut und mußten sich Aufträge sichern. Man sah sich viel leicht weniger den Angestellten gegenüber verpflichtet, als dem kaufmännischen Prin zip verbunden und verspürte wenig Lust, einem Ideal zuliebe Opfer zu bringen. Große Aufträge aus Amerika, ganz in der her kömmlichen Schablone bestellt, wirkten als böse Versuchung, ein sich festigendes künstlerisches Gewissen, sobald es sich regte, zu überhören, je mehr altmodische — man kann nicht anders sagen — Aufträge aus Übersee für die Aufrechterhaltung eines Glasmalereibetriebes in größerem Um fange lebensnotwendig wurden. Insbeson dere nach dem Ersten Weltkrieg wirkten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse im verarmten Europa so aus, während gleich zeitig die ersten kräftigen Zeichen einer sich wirklich erneuernden Glasmalerei sicht bar wurden. Der zwiespältige Zustand sollte aber noch Jahre fortdauern. Menschlich begreiflich auch, da man sich doch nicht so leicht ein gestehen wollte, bei dem bisher verfolgten Wege, der sich wirtschaftlich günstig er wiesen hatte und auch jetzt noch, und nicht nur vom Ausland her, seinen Mann er nährte, einen Irrweg gegangen zu sein. Auch eine konservative Haltung in der Heimat, die meinte, es müßte der Einheit lichkeit zuliebe — die alte Parole: Stilrein heit! — ein künstlerisch einst höchst un glücklich begonnenes Programm konsequent weiter künstlerisch schlecht fortgesetzt wer den, wirkte nicht unmaßgeblich mit, schwere Hindernisse einer echten Wiedergeburt ent gegenzustellen. Noch vor dem Ersten Weltkriege hatten große Ausstellungen, wie in Karlsruhe und Berlin, bei denen auch Fensterkopien nach alten Werken gezeigt worden waren, ganz wesentlich zu einer Besinnung auf die eigentlichen künstlerischen Werte im Glas fenster beigetragen. Es soll nicht vergessen werden, jener jüngeren Kräfte in fabriks mäßig betriebenen Glasmalereiwerkstätten zu gedenken, die aus gesundem natürlichen Empfinden dem damals üblichen Arbeits gang unbefriedigend gegenüberstanden und sich schon als Lehrjungen dachten, man müßte eigentlich mit dem Glase ganz anders umgehen, als man es damals machte, da man so lange daraufpinselte, überzog und wischte, bis man eine gleichmäßig öde Fläche gewonnen hatte. Denn diese Leute stellten später der Idee des künstlerischen 46

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