Christliche Kunstblätter, 92. Jg., 1954, Heft 2

Bleibänder der alten Fenster als wesentliche monumentale Mittel der Zeichnung. Wie etwa die Technik des gotischen Ge wölbebaues bis ins i8. Jahrhundert, blieb auch die Technik des farbigen Glasfensters in einer Zeit bekannt, da dieser Kunst bereich unerwünscht war. Aber zwischen Kenntnissen, die genügen, entstandene Schä den an alten Kunstformen mehr oder weni ger gut auszubessern, und einer lebendigen Pflege der entsprechenden Technik und ihrer künstlerischen Flandhabung besteht ein wesentlicher Unterschied. Der Bedarf an Glasfenstern für die Aus stattung neugotischer I^itterburgen der Für sten mußte deshalb auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit alten Originalen ge deckt werden. Das war wohl leicht zu er reichen, wirkte doch in der Kirchenarchi tektur noch der barocke Sinn für helle Räume, dem die Abgabe mittelalterlicher l'ensterreste gar nicht schwer fallen konnte. Für das kaiserliche Tmstschloß Laxenburg holt man sich sO' auch aus den Kirchen des Landes mittelalterliche Fensterteile und man erhält so viel zur Verfügung gestellt, daß man einen beträchtlichen Teil wieder zurückschicken kann. Wie sehr das alte Material nur vom Standpunkt der Dekora tion im Sinne einer romantischen Lieb haberei gewertet wurde, läßt sich daraus er kennen, daß man versäumte, den Ursprungs ort der Stücke zu vermerken. So hat die Stadtpfarrkirche Steyr, die auch „geliefert" hatte, schließlich Scheiben zurückerhalten, die gar nicht aus ihrem Bestand waren. 1840 ist das Interesse an mittelalterlicher Kunst in ganz anderer Weise wach. Die Be mühungen der Kapläne der Welser Stadtpfarrkirche und anderer Kunstfreunde um die alten Fenster dieser Kirche zeigt nicht nur eine leidenschaftliche Zuneigung zu den alten Werken und eine in weiterer Folge unglückliche Sucht nach Säuberung und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, sondern auch das Fehlen einer Werkstätte, die über die herkömmlichen Reparaturarbeiten hinaus auf den ganz be stimmten Wunsch der Wiederentdecker der Welser Fenster hätte eingehen können. Die radikale Säuberung der Gläser von der unerwünschten Patina — man denke dabei an die malerisch harten und klaren Far ben der Nazarener als Ideal! — muß ten so jene Kunstfreunde mit Scheide wasser und Schabersinn auf Kosten der Schwarzlotzeichnung selbst durchführen. Bei der Ergänzung half der Frankenburger Glasmaler und ,,Privatier" F. v. Pausinger und nur für die Verbleiung werden zünf tige Flandwerker herbeigeholt. Auch für die farblosen Fensterabschlüsse war ja stets diese Arbeit notwendig geblieben. Erst für spätere Restaurierungsarbeiten in Wels in den Jahren 1888—1890 steht dann die äl teste Glasmalereiwerkstätte des 19. Jahr hunderts in Österreich, Geyling in Wien, zur Verfügung. Die Gründung solcher Linternehmen fand durcli den Wunsch nach Stilreinheit, und dazu gehörten nun für die alten gotischen Kirchenräume auch wieder bunte Glasfenster, eine starke Eörderung. Für uns heute hat sich dieses Programm der Stilechtheit und Stilreinheit als eine offenkundig kunstfeindliche Parole erwie sen. Wertvolle nichtgotische Bestände wur den zerstört und dafür nur ein sehr schwa cher unkünstlerischer aber „stilreiner" Er satz geschaffen. Wo vordem künstlerische Qualität und Einheit in stilistischer Vielfalt l^estand, ro manische Portale, gotische Gewölbe und barocke Altäre einen künstlerischen Kos mos ergaben, beherbergte nun stark überarbeitete, hart und steif gemachte mit telalterliche Architektur ein neugotisches Altarmagazin. Damit soll der Eindruck charakterisiert sein, der sich dem für wirk liche künstlerische Werte empfänglichen Auge leider vielfach nun bot: Unharmo nisch in den Raum gestellte Altäre und Kan zeln, selbst wieder nur sinnlos aufgetürmte und zusammengeklitterte gotische Architek turelemente, dazugehörige Beichtstühle und Bänke füllen die Räume. „Steingrau" war dabei ein Lieblingston oder wo man far biger wurde, man wußte sehr wohl wie die Welser Bemühungen um die Jahrhundert mitte beweisen, von der heraldischen Far benfreudigkeit des Mittelalters, geriet man unversehens in eine seltsam farbig-nüch terne Tonreihe, die dann noch neben dem üblichen Grau und branstigen Braun für Holz fremd und unerquicklich steht. Uns überrascht bei allen Erneuerungs und Wiederherstellungsarbeiten dieser Zeit der Mangel an künstlerischem Einfühlungs vermögen, wobei man Ergänzungen im .Sinne der Denkmalpflege jener Zeit mög lichst täuschend vornehmen wollte. Daß eine manieristische Zeit, wie die Neugotik 45

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