seiner Person zum Ausdruck kam, und andererseits eine gewisse Zurückdrängung jener Gedanken gänge, die im arianischen Sinne mißverstanden werden konnten. Weihnachten und Epiphanie waren nun Festtage, an denen die Pei'son des Herrn geehrt wurde, und damit seine göttliche (u'öße und Würde während an Ostern eigentlich nur das Werk des Herrn, das er in seiner Menschheit vollbracht hat, den Gegen stand der Feier bildete. So gewinnen die weih nachtlichen Festtage und der weihnachtliche Fest kreis steigende Bedeutung. Der österliche Festkreis und Gedankenkreis, der es in erster Linie nur mit dem Werk zu tun hat, und insofern nur mit der Menschheit des Herrn, in der er der Mittler ge worden ist zwischen uns und Gott, tritt einiger maßen zurück; denn als Mensch und Mittler ist Christus ja auch in seiner himmlischen Herrlich keit notwendig dem Vater untergeordnet. Das war nämlich gerade der Gedanke, der vom Arianismus beständig mißdeutet wurde, als ob der Logos als solcher minderen Wesens und nicht wah rer Gott wäre. Man ließ also diesen Gedankenkreis in der katholischen Glaubensverkündigung, einiger maßen beiseite. Nicht das himmlische, sondern das irdische Leben des Herrn steht nun im Vorder grund: sein weihnachtliches Kommen, das Auf strahlen seiner göttlichen Macht in den ersten Wun dern, und aus dem Bereich des österlichen Themas das, was sich im irdischen Räume abspielt: sein bitteres Leiden und Sterben. Diese Denkweise hat sich aus den Kampfgebieten des abendländischen Arianismus, also hauptsäch lich aus dem südgallisch-spanischen Raum, auf dem Wege über die britischen Inseln und vermittelt hauptsächlich durch die Schule des Angelsachsen Alkuin, über den ganzen karolingischen Bereich ausgebreitet und hat so mehr und mehr die ältere, römische Überlieferung überdeckt. Die großen Ver treter dieser neuen religiösen Haltung sind der beilige Bernhard von Clairvaux im zwölften Jahr hundert mit seiner Marienminne und seiner Kreu zesmystik, und der heilige Franz von Assisi am Anfange des 13. Jahrhunderts, der die erste Weih nachtskrippe baut und der die Wundmale des Ge kreuzigten empfängt. Es mögen noch andere Kräfte zu dieser Ent wicklung beigetragen haben, besonders der Volks charakter der nun führenden germanischen Völker, dem das sinnlich Faßbare, das Anschauliche mehr entsprach, zugleich das Gemütvolle, das zum Ge fühl Sprechende. Auch eine gewisse Primitivität des mittelalterlichen Menschen, nicht zuletzt auch in seiner religiösen Bildung, mag in der gleichen Richtung gewirkt haben. Man hielt sich einfach an die irdische Erscheinung Gottes. Man unterscheidet in der volkstümlichen Sprech weise nicht mehr zwischen Gott und Christus, dem Gott-Menschen. Christus ist einfach der Gott der Franken. „Es lebe Christus, der die Franken liebt" — das ist der bekannte Anfangssatz der Lex Salica. Man spricht in der Sprache des späteren Mittel alters von Gottes Leichnam, von Gottes Marter, von Gottes Händen und Füßen — und meint den Leib Christi, das Leiden Christi, seine Hände und Füße, eine Ausdrucksweise, die in der volkstüm lichen Sprache heute noch fortlebt, wenn von Herr gottschnitzern, vom Herrgottswinkel, von dem be kannten Crucifixus oberhalb unserer Stadt als dem „Großen Gott" die Rede ist, und eine Ausdrucks weise, die nicht falsch, aber reichlicb ungenau ist. Auf diesem geistesgeschichtlicben Hintergrund werden verschiedene Erscheinungen auf dem Ge biete der kirchlicben Kunst verständlich. Da ist zumBeispiel die bildliche Darstellung Gottes, das heißt in diesem Zusammenhange Gottes, des Vaters. Im ganzen ersten Jahrtausend und darüber hin aus kannte die kirchliche Kunst kein Bild von Gott dem Vater. Wenn man in einer Szene aus dem Al ten Testament Gott darstellen wollte, Gott, der mit seiner Allmacht eingreift, den Menschen rettet usw., dann stellte man ihn nur dar durch eine Hand, die aus den Wolken ragt. Den unsichtbaren Gott wagte man nicht darzustellen und kann man eigentlich nicht darstellen. Erst im 13. Jahrhundert, auf dem Grund der angedeuteten religiösen Entwicklung, be ginnt man Gott den Vater als ehrwürdigen Greis abzubilden, der die Weltkugel in Händen hält. Und es folgen nun auch die Darstellungen der heiligsten Dreifaltigkeit — in der Form des Gnadenstuhles oder in der Darstellung der Krönung Mariens oder in anderer Weise. Es steht hinter diesem Schritt offenbar der Ge dankengang: Wenn man von jeher — wie es ja selbstverständlich ist — den Gott-Menschen in menschlicher Gestalt dargestellt hat, und wenn wir bei ihm doch gewissermaßen über seine Menschheit hinwegsehen dürfen und von ihm sagen dürfen: Gottes Geburt, Gottes Leiden usw. — dann muß es auch umgekehrt erlaubt sein, dort, wo von Gott schlechthin, von Gott dem Vater, die Rede ist, die men.schliche Gestait anzuwenden. Es war sicher erlaubt — ob es auch für die Re ligion, für einen würdigen Gottesbegriff ein Ge winn war, ist eine andere Frage. Der Pastoraltheöloge ist geneigt, diese Frage zu verneinen. Für die kirchliche Kunst dieses späteren Mittel alters ist dann vor allem kennzeichnend die Liebe und die Hingabe, mit der sie das Weihnachtsthema und das Leiden Christi, also die großen Glaubens geheimnisse des irdischen Raumes, darstellt: die Verkündigung, Christi Geburt, die Anbetung der Weisen, die Flucht nach Ägypten, das Marienleben und dann die einzelnen Szenen der Leidens geschichte, von der ölbergszene mit den schlafenden Jüngern bis zur Grablegung und zur Auferstehung. Wer vor einigen Jahren die Ausstellung „Gotik in Tirol" gesehen hat, der hat vielleicht die religiöse Innigkeit der Darstellung bewundert; der konnte aber auch betroffen sein von einer gewis sen Eintönigkeit, mit der immer nur dieser The menkreis behandelt war, neben einer Anzahl Dar stellungen aus dem Leben der Heiligen. Dabei wird man vieileicht feststellen, daß unter dem formalen Gesichtspunkt der geschickten Dar stellung, des lebendigen Ausdrucks, der psychologi schen Durchformung der Gestalten eigentlich erst von dieser Zeitmarke, dem T3. Jahi'hundert, an von hochwertigen künstlerischen Leistungen die Rede sein kann. Erst jetzt lernte man Schmerz und Freude und Staunen, alle Zustände der mensch lichen Seele, und schließlich dramatische Szenen auch in größeren Gruppen, mit wachsender Meister schaft darzustellen. Der Vorgang, der früher gewissermaßen nur auf dem Goldgrund der Verklärung, als Andeutung 71
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