Thron des Königs; anstatt der Dornenkrone die Königskrone auf dem Haupte; und das Lendentuch zum Königsmantel umgestaltet; zu seinen Füßen die Kirche, die vertrauensvoll aufschaut, und die Synagoge, die sich beschämt abwendet. Wenn man diese nur flüchtig angedeuteten Tat sachen überschaut, ist es wohl ohne weiteres klar, daß hier eine einheitliche, durchgehende Betrachtungs- und Darstellungsweise vorliegt. Ildefons Herwegen, der große Abt von Maria Laach, hat dafür das Stichwort „Mysterium" vorgeschlagen"); der Frömmigkeit jenes älteren Christentums habe der Gedanke des Mysteriums zugrunde gelegen. Mysterium, das würde besagen; man habe die Urbeilstatsacbe (Christi Leiden und Auferstehung) als immerfort gegenwärtig werdend betrachtet, und zwar im Kult, den die Kirche vollzieht und durch den sie am Heil teilnimmt. Aber es ist vielleicht nicht gut, die Frklärung mit dem Begriff des Mysteriums zu belasten, der auch heute noch Gegen-stand der Kontroverse ist. Ks genügt, den Kern dieses Gedankens festzuhal ten: den Gedanken, daß in jener älteren Zeit die Urheilstatsache oder mit einem anderen Wort; die Ostertatsache, eben Christi Leiden und Auferste hung, dem chri,stlichen Denken auf andere, viel intensivere Weise gegenwärtig war, und zwar vor allem von der Liturgie her. Man hat in jener alten Zeit die Auferstehung und Verherrlichung Cdiristi nicht als einen Punkt (sei es auch als den Flöhe punkt) in der Kette der Kreignisse betrachtet, son dern als Abschluß eines Werkes, das nun vollendet vorliegt, als Vollendung des christlichen Kosmos, in dem man lebt und atmet. Und man hat in die sem Sinne die Auferstehungstatsache in den Mit telpunkt des religiö.sen Lehens gestellt. Das kam in der Liturgie kraftvoll zum Ausdruck. 70 Aber dieses österliche Thema, das die christliche Bildkunst des ersten Jahrtausends durchzieht, war auch in der Liturgie nicht auf die österliche Zeit beschränkt. Das Osterfest war, wie gesagt, lange Zeit das einzige F"est der Christenheit. Aber man hat dieses Fest nicht nur einmal im Jahre gefeiert als Gedächtnis der vollendeten Erlösung, sondern man hat es jede Woche gefeiert; denn der Sonntag hatte von Anfang an eindeutig diesen Sinn — der auch heute noch in Geltung ist, aber durch andere Gedankengänge einigermaßen verdunkelt wird — der Sonntag war die äuiorä-iiio; tiuif/'/, der Aufer- .stehungstag; so wurde er im griechischen Orient durch Jahrhunderte genannt, und als solcher wurde er auch durch die Art der Feier deutlicher, als es heute der Fall ist, geltend gemacht. Aber auch heute noch trägt die Liturgie das Jahr hindurch an verschiedenen Stellen österliche Züge, ja weist eine österliche Haltung auf. So wird jedes Gehet, das an Gott gerichtet wird, geschlossen mit einem Aufhlick zu ihm, der als Auferstandener, als verklärter Mittler, hei Gott lebt. Es wird geschlos sen mit der Formel; „Durch Christus, unseren Herrn", oder wie es in der feierlicheren Formulie rung heißt; „Durch unseren Herrn Jesus Christus, . . , der mit Dir lebt und als König herrscht." Ostern war durch Jahrhunderte nicht bloß das höchste, sondern das einzige Fest, das in der gan zen Christenheit gefeiert wurde. Es wurde sozu sagen als das jährliche Stiftungsfest des Christen tums und der Kirche empfunden. Es wurde ihm eine längere Vorbereitung und eine noch längere Nachfeier beigegeben. Auch die Weise, wie Ostern gefeiert wurde und gefeiert wird, ist lehrreich. Der Gedanke verweilt nicht einfach hei der Person des Auferstandenen, hei seinem Triumph, hei seiner Verherrlichung; sondern es wird immer sofort sein Volk mit einhezogen; diejenigen, die mit ihm auferstanden sind. Ostern ist schon seit dem zweiten Jahrhundert immer auch das erste Tauffest gewesen; noch heute wird in der Osterliturgie das Taufwasser geweiht, und die Liturgie der Osterwoche spricht beständig von den jenigen, die er hineinführt in das Land, das von Milch und Honig fließt, die er ruft als die Geseg neten in das Reich seines Vaters. Am zweiten Sonntag nach Ostern ist die Litur gie noch heute schlechthin beherrscht von dem Bilde des Guten Hirten, der seine Herde um sich versam melt hat — ganz wie es die altchristliche Darstel lung in den Katakomben und in den Basiliken be sagt. Diese Betrachtungsweise, die in den offiziellen Texten der kirchlichen Liturgie bis heute festgehal ten wird, hat im Bewußtsein der kirchlichen Ge meinschaft in der Folgezeit eine weitgehende Ahschwächung erfahren. Rund gesprochen; Mit dem Osterthema des ersten Jahrtausends tritt im zwei ten Jahrtausend das Weihnachtsthema in KonkurZwar in der kirchlichen Liturgie ist Weihnachten schon sehr alt; es wird seit dem vierten Jahrhun dert gefeiert. Es wird damit nur neben der Vollen dung des Werkes nun auch der Anfang durch ein Fest ausgezeichnet, das aber als kirchliches Fest immer in der zweiten Linie bleibt. Aber im Be wußtsein der Christen gewinnt es mehr und mehr den Vorrang vor Ostern — und behält ihn, wie wir alle wissen, bis heute. Das ist natürlich nur ein Symptom, hinter dem ein großer geistesgeschichtlicher Vorgang steht, der sich über mehrere Jahrhunderte erstreckt. Der Umschwung beginnt in der Karolingerzeit und wird bald nach der Jahrtausend wende (11./12. Jahrhun dert) vollendete Tatsache. Er vollzieht sich zuerst auf theologisch-ideellem Gebiete, und greift erst allmählich auch über auf den Bereich der kirch lichen Kunst. Ich kann die entscheidenden Momente dieses Umschwunges hier nur flüchtig andeuten®). Es handelt sich letztlich um eine neue Weise, die Person Christi zu sehen. Der Arianismus hatte die wahre Gottheit Christi in Frage gestellt. Und die ser Arianismus hatte in den germanischen Völkern des S./6. Jahrhunderts, besonders im südgallischspanischen Raum, nochmals einen mächtigen politi schen Rückhalt gewonnen. Das bedeutete auf katho lischer Seite die Notwendigkeit der Abwehr und da mit einerseits die um so stärkere Betonung alles des sen, worin die göttliche Größe des Flerrn, die Würde ') /. Herwegen, Kirche und Seele. Die Seelen haltung des Mysterienkultes und ihr Wandel im Mittelalter (Aschendorffs zeitgemäße Schriften 9), Münster 1926. ®) J. A. Jungmann, Die Abwehr des germanischen Arianismus und der Umbruch der religiösen Kultur im frühen Mittelalter; Zeitschr. f. kath. Theologie 69 (1947) 36—99-
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