Kirchliche Kunst will bekennen, will verkünden, so wie der Gottesdienst selber Bekenntnis und Ver kündigung ist. Die kirchliche Kunst verkündet dar um in erster Linie jene Tatsachen, die die Grund lagen christlicher Weltordnung darstellen; und dar um sind es dieselben, die im Apostolischen Glau bensbekenntnis hervorgehoben werden, und diesel ben, die auch im kirchlichen Fest begangen werden. Also die eine Tatsache, daß Christus gekommen ist — „empfangen vom Heiligen Geiste, geboren aus Maria, der Jungfrau" — das Weihnachtsthema; und die andere, daß er die Welt erlöst hat — ,,gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, am dritten Tage wieder auferstanden von den Toten" — das Osterthema. Dabei kann man sagen, wenn man die Erschei nungen zu einer kurzen Formel abrunden darf; daß im ersten Jahrtausend das Osterthema weitaus das Übergewicht hat, im zweiten Jahrtausend das Weih nachtsthema. In beiden Fällen steht, wie das nicht anders sein kann, Christus im Mittelpunkt; aber im ersten Jahrtausend wird Christus gesehen, wie er schon verklärten Leibes in die jenseitige Welt eingegangen ist; im zweiten Jahrtausend aber Christus, wie er in unsere irdische Welt hereintrift ynd in dieser irdischen Welt leidet und stirbt. Insofern bleibt das Osterthema auch im späteren Mittelalter, auch im zweiten Jahrtausend, in Gel tung. Vom erlösenden Leiden Christi kann keine Epoche der christlichen Welt loskommen so wie Parsifal am Karfreitag die drei Blutstropfen im Schnee erblickt und von ihnen gebannt wird und nicht mehr loskommt von ihnen. Insofern bleibt das Osterthema auch im zweiten Jahrtausend in Kraft. Aber es ist gewissermaßen beschränkt auf seine diesseitig-irdische Komponente: das erlösende Lei den und Sterben, die Beweinung Christi, die Pietä, die Grablegung, und vielleicht dann noch das Er eignis der Auferstehung, aber doch nur als das eine, einmalige Ereignis innerhalb der irdischen Welt. Im ersten Jahrtausend dagegen wird das Oster thema auf ganz andere Weise behandelt. Es steht durchaus im Vordergrund; ja, es ist sozusagen all gegenwärtig. Aber nicht so sehr als Darstellung des einmaligen Ereignisses der Auferstehung Christi am Ostermorgen: nicht so, wie etwa Matthias Grünewald es dargestellt hat: die Gestalt des Herrn in einem Lichtsturm emporfahrend, die Wächter vor Schrecken niedersinkend; sondern, ganz wie in der Liturgie, ist das Thema vielmehr: der auf erstandene Christus als Prinzip des neuen Lebens, der auferstandene Christus und die Kirche, die neue Schöpfung, die mit seiner Auferstehung be gonnen hat und die die alte Schöpfung überformen soll. Also nicht die Auferstehung als Ereignis, son dern eher der Auferstandene und die Welt des Auf erstandenen als Zustand, als neue Ordnung. Diese Auffassung steht schon hinter den Bildern der Katakombenkunst. Das weitaus häufigste Bild ist hier der Gute Hirt, aber der Hirt mit seiner Herde, oder der Hirt, der das gerettete Schaf auf den Schultern trägt — Christus, der die Mensch heit gerettet hat. Aber auch die anderen Darstellungen der Kata kombenkunst, die mit einer gewissen Regelmäßig keit wiederkehren, wollen dasselbe sagen: Sie sind vorwiegend dem Alten Testament entnommen und möchten auf den ersten Blick ebenso rätselhaft er scheinen, wJe sie in der Ausführung unbeholfen und primitiv sind: sie sprechen von der Rettung, die bereitsteht, von der Erlösung, die schon vollen det ist, von der Hoffnung des Christen. Das liegt nämlich in den verschiedenen Bildern: von Noe und Jonas, die gerettet werden, vom dürstenden Volke in der Wüste, dem Wasser aus dem Fels gegeben wird, von den Jünglingen im Feuerofen, denen das Feuer nichts anhaben kann. Es sind verhüllte Dar stellungen des Ostergeheimnisses. Weniger verhüllt spricht die Kunst der Basiliken seit dem vierten Jahrhundert von der neuen öster lichen Wirklichkeit: Hoch im Altarraume erscheint, in Mosaik ausgeführt, das Bild des thronenden Christus, die Majestas Domini, der Rex gloriae, oder doch sein Symbol, das triumphierende Lamm, oder auch das strahlende Kreuz als das heilbrin gende Zeichen der Erlösung; es ist auf jeden Fall der österliche Christus. In vielen Fällen ist das Christusbild umgeben von den vier Wesen aus der Vision des Propheten Ezechiel: Mensch und Rind und Löwe und Adler. Wir sind es gewohnt, diese vier Wesen als Sym bole der vier Evangelisten zu verstehen — und tat sächlich findet sich diese Deutung schon im christ lichen Altertum, aber es ist eine sekundäre Deu tung. Die ursprüngliche Deutung, wie sie bei den älteren Väteren erscheint, und wie sie der eigent liche Grund ist, weshalb man diese geheimnisvol len Bilder mit der Christusdarstellung in der Apsis verbunden hat, liegt in dem Gedanken, daß darin das Werk des Herrn, und zwar vor allem dessen österliche Vollendung, rekapituliert erscheint: Er ist Mensch geworden — das Bild des Menschen; er ist zum Opfer geworden — das Bild des Rin des ; er ist siegreich geblieben in der Auferstehung — das Bild des Löwen; er ist zum Himmel auf gefahren — das Bild des Adlers"). Dem Gesagten entspricht es auch, daß der thro nende Christus, wenigstens in der älteren Kirchen kunst, selten allein dargestellt wird. Es wird, in irgend einer abgekürzten "F"orm, sein Werk, das vollendete Werk, mitdargestellt: Der Herr bat nacb seinem Auferstehungssiege sein Volk um sich ver sammelt, die Kirche. Die Kirche wird dargestellt durch die Apostel, die huldigend zu ihm auf schauen — oder die aus der Hand des Gesetzgebers die Gesetzesrolle empfangen (Dominus legem da.t) oder durch die Reihe der Schafe, die zum Hirten drängen — oder durch Hirsche, die aus den Paradiesströmen trinken, die am Fuße des Kreuzes entspringen — oder auf andere, ähnliche Weise. Oder es wird die schon vollendete Kirche dar gestellt, wenn etwa am Triumphbogen die 24 Älte sten erscheinen, die vor dem Lamm huldigend ihre Kronen niederlegen. Den Gekreuzigten hat man in der älteren Kir chenkunst nicht dargestellt. Wohl das Kreuz, aber auch dieses nun in stilisierter Form, als Glorien kreuz, als TporLr/,;ov, als das Siegeszeichen, das nach dem Siege aufgerichtet wird. Aber auch als man in späterer Zeit den Gekreuzigten selbst dar zustellen begann, hat man ihn, und zwar noch in der romanischen Kunst, nur gewissermaßen im österlichen Licht darstellen wollen: das Kreuz als ") K. Künstle, Ikonographie der christlichen Kunst I, Freiburg 1928. 69
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