Christliche Kunstblätter, 92. Jg., 1954, Heft 2

Der Christ und die Kunst Von D o z. Dr. Leonhard Küppers, Düsseldorf (Dazu die Abbildungen 13, 14) (Fortsetzung.) 2. Frühe Kirchenkunst Christliche Kunst ist nicht dasselbe wie kirchliche Kunst. Wer ein echter Künstler i.st, und dazu ein ebenso echter Christ, der wird auch christliche Kunst machen kön nen. Um aber kirchliche Kunst ma chen zu können, muß man auch etwas von der Kirche Jesu Christi verstehen. Man muß wissen, daß sie eine Gemeinschaft in und mit Christus ist, ja daß sie der „ge heimnisvolle Leib" Christi ist, wie der hei lige Paulus sagt. Man muß auch wissen, daß die Kirche als Gotteshaus zunächst Christus und der Gemeinde Christi zuge ordnet sein muß, nicht aber zunächst dem einzelnen, daß also auch kirchliche Kunst oder besser gesagt „Kunst in der Kirche" immer zunächst von der Wahrheit über Christus als Kirche und von der Wahr heit über die Christusgemeinde als Kirche auszugehen hat, nicht aber zunächst vom persönlichen Erlebnis des einzelnen Künst lers. Kirchliche Kunst gibt es erst, seitdem es Kirchen gibt. Die Katakombenkunst kön nen wir als „ICunst der frühen Christen" ansprechen, nicht aber auch schon als Kir chenkunst; denn die Katakomben waren keine Kirchen. Sie könnten höchstens als primitive Notkirchen angesprochen werden. Die Christen zur Zeit der Apostel kannten keine Kirchen. Sie feierten, wie es aus der Apostelgeschichte deutlich hervorgeht, den Eucharistischen und Gebetsgottesdienst in Privathäusern. Das mag bis Ende des zwei ten Jahrhunderts gedauert haben. Erst seit dem Beginn des dritten Jahrhunderts sind dann eigene Gotteshäuser als Kirchen ent standen und erst im vierten Jahrhundert setzte eine eigene großzügige Bauweise ein. Das hängt zweifellos auch mit dem Auf blühen des Märtyrerkults zusammen. Da mals schon entstanden in Rom die alte St. Peterskirche, ferner Santa Maria Maggiore, Groß-St. Marien würden wir sagen, und schließlich die Paulskirche. Sie sind — wie alle Kirchen der damaligen Zeit — Basiliken. Damit ist schon gesagt, daß ■auch die früheren Kirchen nicht einen eige nen Stil hatten. Sie hatten den Stil der ,,königlichen Hallen" auf dem Marktplatz. Von ihnen haben sie auch ihren Namen; denn König heißt auf Griechisch Basileus. Basilika war also die Halle des Basileus. Die schönsten noch erhaltenen Balisiken be finden sich auf italienischem Boden, vor allem in Rom und Ravenna. Wie so eine frühchristliche Basilika aussah, vermittelt am besten die römische Kirche „St. Paul vor den Mauern". Sie ist zwar, wie wir sie heute kennen, im Ganzen nicht mehr alt, da sie im Jahre 1823 durch die Unvorsichtig keit eines Dachdeckers bis auf das Quer schiff, den wundervollen Bogen zum Altar raum hin und den Altarraum selber ab brannte und als Neubau 1854 von Papst Pius IX. wieder feierlich eingeweiht wurde, aber auch so noch verrät sie jede Eigentüm lichkeit der Frühzeit. Denkt man sich den etwas prunkvollen Vorbau und Vorhof in heutiger Form fort, so stellt man fest, daß das Außere dieser Basilika eigentlich völlig schmucklos ist. Noch deutlicher wird es bei den Basiliken in Ravenna. Es ist nicht nur das äußere Gemäuer völ lig schlicht und anspruchslos, die Basilika als solche beansprucht auch keinen beson deren Ort, etwa einen Hügel oder ein schö nes Tal. Man findet sie draußen vor den Toren oder im freien öden Feld wie in Ravenna oder aber inmitten der Häuser, mit kaum betonter Vorderseite. Das kann nur heißen, daß das Christentum nicht unter al len Umständen Geltung und Macht bean- .sprucht vor der Welt, daß die Christen als „Kinder des Lichtes" sich wesentlich zu unterscheiden haben von den „Kindern die ser Welt". Der Gedanke wird vollends über zeugend, wenn man in das Innere einer frühchristlichen Basilika tritt, in Ravenna oder auch in „St. Paul vor den Mauern", in Rom. Es ist, als täte sich mit einem Mal der Himmel vor einem auf. Schön und feierlich im hellen Glanz kostbaren Mar mors paradieren Säulenreihen und tragen den Eintretenden gleichsam ganz nach vorne hin, zum Altar hin, wie ein Schiff vorwärts getragen wird auf den sanften Wellen des Meeres. Von besonderer Kost41

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