Christliche Kunstblätter, 92. Jg., 1954, Heft 2

Stein: den sogenannten „Weisen", einen Milchopal oder Karfunkel. Tn ihm sah man das wahre Symbol des Herrschertums, die göttliche Sendung des Trägers der Krone. Der Stein selbst ist nicht erhalten; das In ventar von 1350 erwähnt ihn zum letzten Male. Heute sitzt in der großen Fassung ein Saphir, der sich ihr nur schlecht ein fügt. Das Kreuz wurde zur Zeit Ottos III. mit der Krone verbunden, im Wetteifer mit dem byzantinischen Kaisertum, das eben falls das Kreuz an die Stelle der früher üb lichen Lilienaufsätze gesetzt hatte; Kon rad II. schließlich spannte über die Platten den Bügel, der in Perlenschrift seinen Na men trägt. Neben dem .höchsten Herrschersymbol, der Krone, steht das Reichskreuz an näch ster Stelle. Das mächtige, auf seiner Vor derseite reich mit Edelsteinen besetzte Bal kenkreuz war dazu bestimmt, die wunder wirkenden Reliquien des Reiches aufzuneh men: in seinem Inneren sind Behältnis.se ausgespart, vor allem für die Heilige Lanze und den Span vom Kreuz Christi. Das Kreuz entstammt ebenfalls der Kronen werkstatt. Das beweisen die Niellodarstellungen der Rückseite, welche wie die Kro nenplatten nahe Verwandtschaft mit Rei chenauer Miniaturen zeigen. Die staufischen Kaiser fügten den Kleinodien den Reichsapfel bei, der 1191 zum ersten Male bei der Krönungszeremonie verwendet wurde. Die Kugel, der Erdball, war schon seit jeher das Sinnbild universa ler Herrschaft. Das christliche Kaisertum setzt an die Stelle der antiken Siegesgöttin Nike ein Kreuz auf den Globus. In die Zeit der staufischen Herrschaft fällt auch die Erwerbung der prunkvollen Krönungs gewänder. Diese waren im 12. und 13. Jahr hundert in einer sarazenischen Werkstatt in Palermo für die Herrscher Siziliens gear beitet worden, von denen sie die Staufer erbten. Der prachtvolle Krönungsmantel König Rogers II. ist die großartigste Mani festation königlicher Macht. In der Mitte des weiten Umhanges ist der Lebensbaum dargestellt, zu beiden Seiten davon sind zwei spiegelgleiche Löwen, jeder ein Kamel schlagend. Die Sicherheit orientalischer Ornamentierung verleiht diesen mächtigen Figuren einen unnachahmlichen Reiz. Das Futter der Innenseite trägt auf goldenem Grund eigenartige Ornamente, Drachen leiber, dazwischen Vögel und Menschen, un60 deutbare Szenen, von denen eine jedoch der .Dar.stellung des Sündenfalls ähnelt, wonach man die.sen Teil „Sündenfall-Stoff" nennt. Zu den in Palermo entstandenen Stücken gehören noch eine Alba, die Dalmatica, Strümpfe, Schuhe und der Gürtel. Die kost bare Kronhaube der Kaiserin Konstanze, der ersten Frau Friedrichs II. — an der sich die Pendilien erhalten haben —, blieb in Palermo, wo sie in der Schatzkammer des Domes aufbewahrt wird. Im späten Mittelalter erfuhren die Stücke des Schatzes einen Bedeutungswandel. Die staatspolitische Funktion der Reliquien trat ganz hinter ihren religiösen Charakter zu rück. Während die Kleinodien zur staufi schen Zeit auf der Reichsfeste Trifels ver wahrt wurden, dem Volk unzugänglich, wurden sie nun als Heiltum gewiesen, und ihre Besichtigung war seit 1350 mit Ab lässen verbunden. Besonders Karl IV., der den Schatz nach Prag bringen ließ, war sehr um die Erwerbung neuer Reliquien be müht, für die er auch kostbare Reliquiare anfertigen ließ. Die hohe ideelle Bedeutung des Reliquienschatzes als Garanten der kai serlichen Macht wich nach und nach einem schlichten irdischen Wunderglauben. Man schrieb den einzelnen Stücken ein immer höheres Alter zu und verband mit ihnen immer großartigere Namen. Wie aus dem Übergabsinventar der Kleinodien an Nürn berg hervorgeht, wurden nun fast alle Stücke auf Karl d. Gr. zurückgeführt. Im Jahr 1423 hatte der Kaiser der Stadt Nürnberg das Privileg ausgestellt, daß ihr fortan die Reichskleinodien überantwortet würden, mit der Pflicht, sie jährlich dem Wik zu weisen. Dieses Privileg sollte er löschen, falls die Stadt vom katholischen Glauben abfiele. Nur zu den Krönungen wurden- nun die Insignien nach Aachen ge bracht, was das Entstehen zahlreicher pri vater Ornate und Insignien einzelner Flerrscher zur Folge hatte, da die Reichsklein odien den König nur zu seiner Krönung schmückten. Trotz des Übertritts Nürnbergs zur Reformation blieben die Kleinodien im Besitz der freien Reichsstadt, und zwar bis zum Jahre 1796, wo sie vor den andrängen den Franzosen nach Regensburg geflüchtet wurden. Wegen der latenten Gefahr brachte man sie dann weiter donauabwärts nach Passau und schließlich nach Wien, wo sie am 29. Oktober 1800 dem kaiserlichen Schatzmeister übergeben wurden. Die im

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