erreicht wird, ebenso wie in der Form — verliebt, wie er in die Natur ist, knetet er die Materie in seinen Händen und verleiht ihr Ausdruck — in der Farbe, dieser Er gänzung der Form, die der Architektur eine ungeheure Lebendigkeit gibt. So sind die Spitzen der Türme, die Kuppeln und Gewölbe mit vibrierenden Farben durch die farbigen und goldenen venezianischen Mo saiken abgetönt und vereinigen sich mit der kostbaren Farbe des Himmels. Ganz farbig sind die unteren Teile der Fassade gedacht, wo sich eine große Zahl von Figuren und Szenen befindet; nachtblau die Darstellung der Weihnacht, hellgrün die Figuren Ägyp tens, sienabraun die Palästinas. Überhaupt sind die überraschendsten Lösungen die, die er bei den Lichtproblemen erreicht. Das Licht dringt, ohne von Strebepfeilern oder starken Mauern gehemmt zu sein, direkt ein durch die Rosetten und das Maßwerk der großen Fenster, die es in tausend Rich tungen führen. Die geraden Oberflächen des Inneren bewirken, daß es keine Konzentration des lüchtes gibt, sondern immer Zerstreuung. Dadurch will er erreichen, daß die Kirche leuchte, daß klare Plarmonien hervor gebracht werden, ,,wie das ruhige Licht, das durch das Gebüsch geläutert wird", nach einem Wort Gaudis selbst. Es soll eine religiöse Stimmung hervorgerufen werden. Die künstliche Beleuchtung ist so ein gerichtet, daß sich die Beleuchtungskörper in den Krümmungen der Gewölbe befinden, um den gleichen Eindruck wie das Tages licht hervorzurufen. Ein anderer tech nischer Fortschritt Gaudis ist die Drei eckigkeit der Glasfenster, die eine große Reinheit im Muster und in der Unbegrenztheit der Übergänge ergibt. Das Problem der Akustik ist mit großer Genialität gelöst. Dieselben doppelt ge krümmten Bögen, die eine Konzentration des Lichtes verhindern, verhindern auch Resonanzen und taube Räume in der Kir che. Was die Stimme der Kirche selbst be trifft, so kann man sie in ganz Barcelona hören, dank der wunderbaren Anordnung der Glockentürme und, ihrer besonderen Konstruktion mit originellen steinernen Jalousien, und der Ton der 48 Glocken, die röhrenförmig angebracht sind (die Länge lieträgt bei 20 Meter) ist wie der einer un geheuren Orgel. Aber wir müssen auch bemerken, daß Gaudi diesen Kirchenbau nicht nur mit großem technischen Können löste, mit gro ßer plastischer Schönheit, sondern daß er mit außerordentlichem Einfühlungsvermö gen eine poetische, religiöse und liturgische Aufgabe erfüllt hat, daß er ein wahres Ge dicht geschaffen hat, indem er in Stein übersetzte, wovon er innerlich ergriffen war. So gewannen alle Elemente ihre be sondere Bedeutung. Die Kirche wird, wenn sie einmal fertig sein wird, eine Pyramidenform haben. Alles überragend die Kuppel von 170 Meter Höhe, die Jesus Christus darstellen soll und charakterisiert sein wird durch die Licht strahlen, die sie aussenden wird. Lhn sie herum vier andere kleinere Kuppeln, die die vier Evangelisten symbolisieren. Über der Apsis erhebt sich der Hauptturm, ge weiht der Jungfrau Maria und gekrönt mit einem Stern. Er ist umgeben von den La ternen der sieben Kapellen. Außer diesen Kuppeln sind zwölf Glockentürme vorge.sehen von mehr als 100 Meter Höhe (vier von ihnen sind im Augenblick gebaut), zu viert an den drei Fassaden der Kirche ver teilt. Alle zusammen werden mit den schlan ken Laternen, den Fassaden, der Kuppel des Baptisteriums, der Himmelfahrts kapelle, der Sakramentskapelle, den Sakri steien und Kreuzgängen die kollosale Py ramide der Kirche bilden. Sie wird errich tet auf einem Sockel von vier Meter Höhe, zu dem einige große Treppen zu den Haupteingängen der drei Fassaden führen. Die Ostseite (die heute schon gebaut ist), ins Licht der aufgehenden Sonne getaucht, ist der Geburt des Herrn geweiht. Sie ist ganz Freude. Das Westportal versinnbildet das Leiden und Sterben des Herrn. Ge genüber der Apsis wird sich das Haupt portal befinden, im Angesichte des Mittel meeres, in der leuchtenden Sonne des Sü dens. Es ist das die Pforte der Herrlich keit. Die Kirche wird eine fünfschiffige Ba silika im lateinischen Kreuz sein. Die Apsis, gebildet von sieben Kapellen, ist lappenförmig und wird an den Seiten je ein vieleckiges Stiegenhaus haben. In ihrer Mitte ist das Presbyterium, in dem sich über 200 Sitze für den Chor der Priester befinden werden. Ein Chorumgang umgibt es. Zwischen Querschiff und Apsis erhebt sich der Altar. Das Mittelschiff wird eine 53
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