Christliche Kunstblätter, 92. Jg., 1954, Heft 2

Kirchenfassaden recht beachtliche Denk mäler hervorgebracht hat. Es steht wohl außer Zweifel, daß diese Werke des römischen Spätbarocks an Origi nalität, Bedeutung und Auswirkung jenen des vorangegangenen Jahrhunderts nach stehen; trotzdem muß aber auch diese Ar chitektur ein gewisses Interesse beanspru chen. Sie ging von den gleichen Voraus setzungen aus wie die Barockarchitektur anderer, abendländischer Bauzentren der gleichen Zeit, nämlich vom römischen Hochbarock. Während dieser aber dort nur einen, wenn auch sehr wesentlichem Ein fluß bedeutete, der sich mit zahlreichen an deren Komponenten, vor allem mit einem ganz andersartigen künstlerischen Verhal ten der jeweiligen Kunstlandschaft ausein anderzusetzen hatte, blieb dieser bedeut same Faktor für den römischen Spätbarockunverändert. Dieses Gleichbleiben der loka len Konstante räumt aber der römischen Baukunst gegenüber anderen Parallelentv.ückluiigen eine Sonderstellung ein, welche die Funktion eines Gradmessers überneh men könnte: und zwar gerade im Bezug auf Veränderungen, welchen die Anregungen aus der Architektur des römischen Hoch barocks in anderen Kunstlandschaften un terworfen waren. So verspräche es etwa nicht unbedeutende Aufschlüsse, wollte man versuchen, den Ablauf des römischen Spät barocks mit dem eines beliebigen, anderen europäischen Bauzentrums derselben Zeit zu vergleichen, um dessen lokale Spielart noch schärfer präzisieren zu können, als dies ohne eine solche Vergleichsbasis mög lich ist. Voraussetzung eines solchen Beginnens ist es jedoch, den Stilablauf der römischen Architektur im Spätbarock selbst zu klären. Hiezu einen Beitrag zu liefern, soll Ziel vorliegender Arbeit sein. Sie beschränkt sich auf die stilistische Untersuchung von Kir chenfassaden des fraglichen Zeitraumes, wobei die Wahl des Themas mehrere Gründe für sich hat. Die Kirchenfassade erfuhr im Laufe des Barocks eine so weit gehende Verselbständigung, daß sie in künstlerischer Hinsicht ein vom übrigen Bau oft unabhängiges Eigenleben zu füh ren vermochte; durch ihre gesonderte Be trachtung entsteht so kaum die Gefahr, da mit den Teil eines Gesamtkunstwerkes aus dem Zusammenhang zu reißen, in dem er vom Künstler eingefügt worden war. Fer ner sind die Fassaden in Entwurf und Aus führung meist viel einheitlicher als der üb rige Bau und schließlich bieten die römi schen Kirchenfassaden eine geschlossene Beispielreihe, wie sie für eine solche stili stische Untersuchung wünschenswert und notwendig erscheint. Obwohl es für eine Spätzeit wie den Spätbarock näher liegt, die Probleme zu nächst von der Persönlichkeit der Finzelkünstler her aufzurollen, scheint es doch auch nützlich, gleichzeitig von einer anderen Richtung her den Denkmälerkomplex zu betrachten. Es soll hier versucht werden, durch chronologische Ordnung der erhal tenen Werke (wobei naturgemäß gelegent lich auch nicht ausgeführte Entwürfe zu be rücksichtigen sind), die einzelnen, aufein anderfolgenden Phasen des Stilablaufes her auszuarbeiten, ohne auf den persönlichen Stil der einzelnen Architekten gesondert einzugehen. Die Gefahr, den Stil einp Künstlers als für .seine ganze Zeit gültig zu erachten, scheint dabei leichter umgan gen werden zu können als bei der Be trachtungsweise, die monographisch vor geht. Es darf nicht verschwiegen werden, daß sich in die auf Grund der Entwicklung der römischen Kirchenfassaden feststellbaren Stilphasen andersartige Bauaufgaben der römischen Architektur nicht immer ohne w-eiteres einreihen lassen. Scheint dies zu nächst den Wert des ganzen Unternehmens bedeutend zu schmälern, so muß doch da gegen hervorgehoben werden, daß die er staunliche Logik, welche gerade die Ent wicklung der römischen Kirchenfassade im Barock auszeichnete, erkennen läßt, welche führende Rolle gerade der Kirchenfassade im Rahmen der künstlerischem Aufgaben zufiel. Beweglicher in den Möglichkeiten der künstleri.schen Ausgestaltung als der viel typen- und zweckgebundenere Kirchen raum konnte sie auf feinste stilistische Ver änderungen unmittelbarer reagieren und übertraf in dieser Hinsicht natürlich auch noch den viel konservativeren Profanbau. So scheint sich an den Kirchenfassaden der durchgehende Zug der Entwicklung am klarsten feststellen zu lassen, der dann auch für die übrigen Bauaufgaben bei weit gehendster Berücksichtigung des „noch" und „schon" Geltung besitzt. Eine chronologische Untersuchung hat den hier zu behandelnden Zeitraum zwi49

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