Christliche Kunstblätter, 92. Jg., 1954, Heft 2

hervorgebracht hatten, schloß die Reihe jener genialen Barockbaumeister, welche die römische Architektur an die Spitze der abendländischen Baukunst gestellt hatten. Gleichzeitig damit ging die Verbreitung der von ihnen geprägten Formen einher, denn aus allen Kunstlandschaften Europas ström ten Lernende nach Rom, um hier Anregun gen zu empfangen, die sie später, eigenem künstlerischen Empfinden angepaßt, in den Kunstzentreni des transalpinen Raumes verwerten sollten. Sie suchten die große Architektur des römischen Hctchbarocks und auch für sie war Carlo Fontana deren letzter Vertreter; von ihm und von den Arbeiten seiner genialen Vorgänger gin gen sie aus, ohne besonders zu beachten, was nach Fontana in Rom noch gebaut wurde. Dies war zunächst auch recht bescheiden. Schon rein zahlenmäßig ging in Rom die Bautätigkeit stark zurück. Schuld daran hatte einerseits das Schwinden der Vor machtstellung des Papstes, dessen Ausein andersetzungen mit der französischen Krone zu manch schwerem Prestigeverlust führte, anderseits aber schienen auch die großen Bauaufgaben weitgehend erschöpft. In den vorangegangenen Generationen hat ten nicht nur die Künstler, sondern auch die Bauherren gründliche Arbeit geleistet. Mit dem Rückgang der Bauaufgaben; schwand auch der Anreiz für die großen Künstler, in Rom zu arbeiten. Schon Guarino Guarini (1624—1683), aus Modena gebürtig, war nicht mehr, wie so viele Ober italiener vor ihm, in der Ewigen Stadt ge blieben, sondern schuf, nachdem er Borrominis Anregungen in fruchtbarster Weise in sich aufgenommen hatte, seine bedeu tendsten Bauten in Piemont. Dort entfal tete auch Filippo Juvarra (1676—1736) seine Haupttätigkeit. So wurde das künst lerische Zentrum Rom vor allem im Bezug auf die Architektur von Piemont abgelöst, wie sich überhaupt das Schwergewicht an die Randgebiete Italiens verlagerte; so sollte im Süden auch noch Neapel eine nicht unwesentliche Bedeutung zukommen, das, seit 1734 von den Bourbonen beherrscht, auch künstlerisch im Kontakt mit Frank reich stand. Die geringe Wertschätzung, welche schon die Zeitgenossen der römischen Architek tur des 18. Jahrhunderts entgegengebracht hatten, hielt lange an. Die Haltung des Klassizismus^) und die von ihm geprägte Kunstanschauung hat die längste Zeit für alles, was nach der Renaissance gebaut wurde, nur ein abschätziges Werturteil ge kannt und erst im ausgehenden 19. Jahr hundert wurden die hohen Leistungen der römischen Barockarchitektur für die Kunst geschichte wieder entdeckt. Zuerst standen naturgemäß die bahnbrechenden Werke des 17. Jahrhunderts im Mittelpunkte des In teresses und es hat noch weitere Jahrzehnte gedauert, ehe mani auch die Architektur des 18. Jahrhunderts einer näheren Betrach tung für Wert erachtete^). Bis dahin be schränkten sich die Handbücher im wesent lichen auf die Fassaden der drei großen römischen Pilgerkirchen von S. Giovanni in Laterano, Sta. Maria Maggiore und Sta. Croce; während man auf Grund der beiden erstgenannten den Terminus vom ,,römi schen Klassizismus des 18. Jahrhunderts" prägte, mußte die Fassade von S. Croce, welche sich dieser Einordnung nur schwer fügen wollte, manch scharfe Kritik über sich ergehen lassen. Dabei übersah man je doch, daß diese Bauten durchaus keine iso liert stehenden Einzelleistungen waren, son dern von einer, zahlenmäßig nicht unbedeu tenden Bautätigkeit getragen wurden, die seit den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts in Rom wieder eingesetzt und besonders an In der Kimstgeschichtschreibung, etwa bei Bellori, wurden die klassizistischen Tendenzen schon im 17. Jahrhundert vorbereitet. -) Alois Riegl, Die Entstehung der Barockkunst in Rom, herausgegeben von A. Burda und M. Dvorak, Wien 1908, und H. Wölfflin, Renaissance und Barock, erste Auflage 1888, stehen am Beginn der Erforschung der Barockarchitektur. Das Inter esse für das 18. Jahrhundert wurde erst um 19,30 wach. Vorläufer sind Arbeiten über die römische Stadtbaukunst dieser Zeit, wie E. Hempel, Die spanische Treppe, Ein Beitrag zur Geschichte der römischen Stadtbaukunst, Festschrift für H. Wölfflin zum 60. Geburtstag, München 1924, S. 27.3, später E. Coudenhove-Erthal, Römisches Stadtbaudenken zu Ende des Secento, Festschrift für H. Egger, Graz 1933, S. 95 ff., aufbauend vor allem auf H. Egger, Römische Veduten, Wien 1931 bis 1932. Außer den später noch zu nennenden monographischen Arbeiten siehe Josef Weingartner. Römische Barockkirchen, klünchen o. J. T. H. Fokker, Roman Baroque Art, Oxford-London 1938. Aldo de Rinaldis, L'arte in Roma dal Seicento al Novecento, Storia di Roma, Vol. XXX., Bologna 1948. L. Bruhns, Die Kunst der Stadt Rom, Wien 1951, V. Golzio, Spiriti e forme nell'- architettura romana nel Settecento, l'Urbe 1938. A. Neppi, Aspetti deirarchitettura del Settecento a Roma, Dedalo 1933. 48

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