/ dem Stein von Sala, dann wieder verwen det das Ranjkenwerk seinerseits souverän Tierelemente für den eigenen Aufbau. Sie erfüllen dort eine ästhetische Funktion: diese rhythmisch verteilten Schnauzen, Klauen, spiralförmigen Ansätze von Schen kelknochen, die sich zu Vorder- und Hin terbeinen verlängern. Ein dynamischer Zug geht über das unübersichtliche Geflecht. Es gibt nichts Unähnlicheres als etwa das Muster eines persischen Teppichs, das mit Symmetrie und Wiederholung arbeitet und dabei das Bild eines in sich ruhenden Zustandes erzeugt. Hier aber ist alles Be wegung, ja Aufbruch, und manchmal glaubt man angesichts dieser wilden Ornamentik vor einem Schlangennest zu stehen, aus dem, wie durch einen absichtlichen Tritt gereizt, die Reptilien von allen Seiten her vorschießen. Innerhalb dieses Durcheinander findet sich nur eine einzige Stelle der Ruhe, ein einziges Zeichen, das rmberührt über dem Gewoge schwebt wie der Stern des Meeres: das Kreuz. Es hat freilich eine ungewöhn lich ungefüge Eorm. Am nächsten kommt ihm vielleicht die Kombination des Johanniterkreuzes mit einem das Zentrum um rahmenden vierblättrigen Kleeblatt, das die unteren Teile der nach außen sich verbrei ternden Kreuzbalken miteinander ver bindet. Die meisten Inschriften sind entziffert und bedeuten, daß es sich um Grabmonu mente handelt. Ein Joger oder Efrid, ein Gunner, Ingjald, Illuge haten ihre Steine zur Erinnerung an einen verstorbenen Sigger oder Osten, Gunnars Mann oder Rodälfs Bruder, errichten lassen. An den kur zen Bericht schließt sich oft die Bitte „Gott möge seiner Seele helfen". Und dann folgt die Signierung des Meisters, der sich mit einem einleitenden „Aber" ausweist: „Aber Asmund hat den Stein bemeißelt." Statt Asmund geben sich auch andere zu erken nen: ödbärn etwa oder Värmunid, Gylle, Arbjörn, Torfast, Askill, Ulfkell oder die berühmten Livsten und öpir. Es gibt un gefähr 150 Namen dieser Kunst im Schwe den des elften Jahrhunderts. Einen Stein hat errichtet, der stehen kann, Balle, der rote, über dem Bruder ^ lautet eine der stolzen Inschriften, und der Rörebrostein von Smäland ist ein Zeugnis von rührender Sohnestreue: Dies Denkmal schuf Assar seinem Vater önd zu Ehren. Von allen war er am wenigsten Erevler. Gab den Armen, vergaß den Haß. An seinen Gott der Gute glaubte. Man darf sich durch die Runenschrift nicht verleiten lassen, den Runenstein als etwas Urgermanisches anzusehen. Er stellt eine späte Einrichtung dar. Zwar war es im Norden seit Jahrhunderten Brauch, steinerne Male über Gräbern zu errichten, aber sie waren Eelsenstücke ohne Inschrift; die „Bautasteine". Erst vom Beginn des elften Jahrhunderts an entwickelt sich die Sitte, ein großes, beschriebenes und verzier tes Monument zu setzen, das den Menschen überragt. Sie dauert doch nur bis zum Ende des Jahrhunderts, weil sie dann der von der Kirche eingeführte Friedhof entbehrlich macht. Es gibt etwa zweitausend solcher Steine in Schweden, davon ungefähr die Hälfte in Uppland, der Provinz, deren Hauptstadt Upsala ist. Die Kultur des Sveareiches hatte sich hier um das Heiligtum des Heiden tempels von Gamla Upsala versammelt. Man pilgerte aus ganz Skandivanien dort hin, um die Blutfeste zu feiern. Die hölzer nen Götterbilder von Odin, Tor und Frö, die in der Halle standen, wurden dann mit Blut bestrichen, und Priester sprengten aus Eimern Blut auf das Volk. In der Nähe die ses uralten Kultbodens verdichten sich auch die Runensteine. Es ist immer noch unenträtselt, was sich im Ornament des Runensteins verbirgt: man kann viele Elemente und viele Ein flüsse in ihm auffinden. Trotzdem bleibt die bestimmte Art der Anordnung, die Kon tur des Ganzen, etwas für den schwedischen Norden Typisches, das sich mit nichts an derem vergleichen läßt und auch trotz vie ler Variationen bei verschiedenen Meistern auf eine einheitliche Urform hinweist. Daß es sich dabei nicht um zufällige Aus schmückung handelt, sondern um eine Art kultische Mitteilung, kann kaum bestritten werden. Es kommt hinzu, daß Runensteine als Grabmonumente gedacht waren, die man
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