Christliche Kunstblätter, 92. Jg., 1954, Heft 1

dargestellten Dinge dergestalt, daß man nicht mehr das Religiöse darstellte, sondern auch das Weltlich-Diesseitige. Man wandte das Interesse den Toten sel ber zu und stellte dar, was weltlich und ver gänglich an ihnen war, z. B. ihren Starud und ihren Beruf, ja schließlich sie selber, zunächst als Betende mit ausgebreiteten Armen, dann aber auch als Porträt. Es läßt sich hier eine wichtige Erkenntnis von der frühchristlichen Kunst her gewinnen, und die heißt so: je näher die Christen noch der leiblichen Gegenwart Christi auf Erden waren, desto klarer herrschten in der Kunst jene Themen vor, die an Christus erinner ten. Je mehr aber die Kirche Christi Sicher heit und Stärke in der Welt gewann, desto mehr kreisten die Themen der Kunst um den Menschen und um das Irdische. Das ist gleichsam ein Gesetz, das sich in allen Jahrhunderten und zu allen Epochen der Kunst wiederholen wird. Wiedergeburt der Glasmalerei Von Prof. A. Stifter, Linz (Dazu die Abbildungen 2, 3, 4) Den Kindern war es immer ein Fest, zum Oberlichtfenster der Flaustüre hinaufzu klettern und einen Blick durch die bunten Scheiben, in denen es nach altmodischer Manier verglast war, zu tun. Welche be glückende Verzauberung farbigen Lichtes wurde einem da doch zu teil! Da brannte auf einmal der benachbarte Garten in leuchtender Glut, sank, durchs andere Glasstück besehen, ins winterlich kalte Blau, blitzte dann wiederum im Son nenschein goldigen Lichtes, blühte in einem unvorstellbar dichtem Grün, um schließlich, durch das letzte Glasfeld betrachtet, im düsteren Violett zu liegen wie vor einem drohenden Gewittersturni. Und dabei war die Stunde dieses Spieles vielleicht ein trau riger, grauer Novembertag, der die bunte Fülle der Jahreszeiten, Feuersbrunst und Gewittersturm wunderbar vorüberziehen ließ. Dieses elementare Erlebnis intensiven far bigen Lichtes war einmal einer Zeit Anlaß einer ganz besonderen Kunstpflege ge worden. Leuchtende, transparente Mosaikfelder bunter Glasflächen, in Bleiruten bild- oder auch nur ornamentartig zusammengefaßt, schlössen die gewaltigen Fensteröffnungen ab, die der konstruktive Baugedanke des Ilochmittelalters an den Kathedralen er möglicht hatte. Wer einmal diese leuchtenden Tepptehe in französischen oder deutschen Domen ge sehen hat, wird diese Wunderwerke farbi gen Lichtes nicht mehr vergessen. Mit wel cher Intensität ist doch in diesen glühenden, jubelnden Farben von der Heilgeschichte berichtet worden! Nur bescheidene Splitter sind uns im Ver gleich daneben in der Fleimat erhalten ge blieben. Vom ältesten, dem winzigen Fen ster aus Weitersfeld in Kärnten, der Mar gareten-Legende, einst hinter dem Hoch altar der Stiftskirche zu Ardagger verbor gen und nun frei gemacht, den Folgen des Klosterneuburger Kreuzganges bis zu den Welser und Tamsweger Beständen, um nur einiges zu nennen. Die künstlerische Kraft dieser farben sprühenden Mosaikfelder mußte aber schwinden, sobald man die Gewalt und den Ausdruckswert der heraldischen Farbe in ihrer symbolischen Wirkung nicht mehr ein zusetzen wußte, weil der Blick nun unver wandt auf die Realistik des Gegenstandes gerichtet war. Es entsprach den Renais sancemenschen, mit aller Leidenschaft Wirklichkeitsnähe und Wirklichkeitstreue im Bilde zu suchen. Noch war es üblich, die Fenster der Dome und Kirchen bildhaft zu gestalten, doch drang in diese Tradition im mer ungestümer jener Weltgeist, dem sich die Natur großartig öffnete, gleichzeitig aber der Sinn für da.s wirkliche Kultbild immer mehr verschloß. Das Festhalten am kirchlichen Bildfen ster war nun nicht mehr ein Segen, was im Wesen künstlerisch aufgegeben war, konnte nur immer mehr verblassen, ja verkommen. Es blieb nur mehr die künstlerisch richtige Entscheidung offen, auf das bunte Fenster 4

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2