Christliche Kunstblätter, 92. Jg., 1954, Heft 1

Kunstdiskussion auf den Salzburgef Hochschulwochen ..(legenwartsauftrag der christlich-abendländi schen Kunst" hieß das Thema der i4tägigen Salz burger Hochschuhvochen. Die geistigen Urheber, die Benediktiner der Salzburger theologischen Fakultät, an ihrer Spitze Prof. F. Thomas M ic h e 1 s, hatten es in kühnem, hohem Verantwor tungsbewußtsein gestellt. Diese zwei Wochen wur den nicht zu einem vornehm-distanzierten Asthetisieren, einem Schwelgen im ,,Schönen". Alle vor tragenden Kunstgelehrten und ausübenden Künst ler (Seewald und Rudolf Schwarz) waren ge drängt, in erregender und einfühlender Weise die letzten Seinsgrundlagen der Kunst, die ins Trans zendente hineinreichen, aufzudecken; die vergan genen großen Kunstepochen nach ihrem Geheim nis zu fragen und auf die Gegenwart anzuwenden. Sie mußten dabei von selbst der modernen, der ,,abstrakten", gegenstandslosen" Kunst begegnen und ehrlich-offen ins Auge sehen; diesem 4ojährigen heute abgeschlossen erscheinenden Ringen, einem unerhört-qualvollen, hoffenden und ver zweifelnden Suchen zweier Künstlergenerationen; das mit den Namen Kokoschka, Franz Marc, Paul Klee vor dem Firsten Weltkrieg begann, als das Spätbürgertum sein hohl gewordenes Dasein noch mit einem mißverstandenen Goethe verbrämte. Ist sie ,,entartete" Kunst, „zerstückte Kunst", ist sie ,,Abenteuer der Wirklichkeit", ,,Symbol des gei stigen Umsturzes", ,,Zeichen des Seins", ,,Hiero glyphe (rätselhafte) des Lebens", „abstrakte Ver führerin"? Wahllos zusammengestellte jüngste Urteile. Die Dozenten und Vortragenden dieser Salz burger Hüchschulvvochen stellten sich dieser Be gegnung, schlankweg mit ,,Ja". Die jüngeren, aber auch die Alteren, wenn auch vorsichtiger, such ten Sinn in die.sem Ringen. Da gab es ergrei fende Höhepunkte in den mit Lichtbildern erläu terten Vorträgen. Ein oberösterreichisches Blatt — von Linz — stigte von diesen Hochschulwochen, es seien katholische, aber es seien keine ,,s c h w a rz e n". (Wir lächeln über dies fossile Wort, das mehr den kennzeichnet, der es gebraucht); aber er sagte; hier sei nicht von der „guten alten Zeit" geschwärmt worden; hier seien auch nicht die Ireilich noch tastenden Versuche der Gegenwart mit einer lässigen oder verächtlichen Gebärde ab getan worden. Wenn es, wie Seewäld sagte, seit 150 Jahren keine christliche fvunst mehr gegeben hat — und diese schreckliche Aussage wird stim men —, dann haben wir kein Recht, über dieses dumpfe, schwere Ringen um Inhalt und Ifonn einer erneuerten Kunst wie Pharisäer zu urteilen.. Professor Sedhndyr, dessen Name als Vortragender im ersten gedruck ten Salzburger Programm an der Spitze stand,- hatte abgesagt. Fr hielt nur die Festansprache bei einer Morgenfeier. Das war schade. Fr ist der WRirtführer jener, die die neue Kunst als Ver zerrung, als den Menschen entwürdigend, als ,,Ver lust der Mitte" werten und verwerfen. Flausen stein hat vor sein Schriftchen in dem er auch im Besten dieser Kunst ,.etwas Gefährdetes und Ge fährdendes" sieht, also Motto C.irillparzers Vers .ge.schriebeu; „Der Maßstab aller Dinge war ver loren, / Nur an sich seihst maß' jeder, was er sah." WTgen der säkularisierenden Züge bei Giotto setzt Hausenstein ihn an den Anfang der modernen Ma lerei im weiteren Sinn, wenn auch nicht gerade zu an das Ende der christlichen. Dies wird hier vorausgeschickt, damit der Leser die Salzburger Vorträge daran messen kann. Weil da die Frage nach der modernen und christlichen Kunst von einer katholischen Tagung zum erstenmal ausgie big behandelt worden ist, glauben wir mit einer Fortsetzung darüber berichten zu dürfen. Die Frage etwa nach Naturalismus oder gar Kitsch war als selbstverständlich völlig aus geschieden. Drei Theologenvorträge Das Vortragsprogramm der ersten Woche war auf möglichst vielseitige geistige Grundlegung des sen, was Kunst im letzten ist, zugeordnet. Da hatte der Flrlangcr Dozent D r. M e t z mit seinen Morgenvorträgen über „Idee und Erscheinungs form des Kunstwerks" die Hauptlast zu tragen. Aber wie Blitze waren die Vorträge von Theologen auf diese Woche verteilt; von Abt Hugo Lang (Ob Qualität oder Inhalt für ein Kunstwerk ent scheidend), Prof. P. Betschart (Wie man see lisch der Kunst begegne) und Prälat Grosche (Kirchliche Autorität und schöpferische Freiheit). Sie gaben der ersten Woche einen grundsätzlich und besonders von den beiden Benediktinern stark ausgesprochenen positiv-optimistischen Ton auch gegenüber der modernen Kunst, hinter den man in der ganzen Woche nicht mehr zurückgehen konnte, den auch alle kunstgelehrten Vorträge, wenn auch im Grad unterschiedlich, bestätigten. Was für eine unvereinbare Gegensätzlichkeit hätte in der gleichen Stunde Prof. Sedlmayrs totale Ver werfung geschaffen! Prälat Grosche, der ein Meuschenalter lang Wegbereiter echter christ licher Kunst gewesen und in diesem F'rühjahr See- ^valds neuen Kreuzweg mit einem Vorwort beglei tet hat, ging von der Instruktion des Heiligen Offiziums über ,,die heilige Kunst" vom 30. Juni 1932 aus und verteilte in ausgeglichenen überzeu genden (iedanken : die Gewichte, die der Frei heit des Künstlers, der Tradition, die dem Neuen auch innerhalb dieser Instruktion zu kommen; daß diese in keiner Weise die F'reiheit des Künstlers aufhebe. Aber „sie, die den Ivünst1er rult, das Flaus Gottes zu bauen, hat ein Recht, und auch die Pflicht", daß sie die Würde des Gotteshauses wahre, nicht indem sie Gesetze, Ver fügungen, sondern indem sie Richtlinien auf stelle. Die Instruktion habe auch der Flut des Kitsches Ifinhalt geboten; die Tradition, an die sie erinnere, sei nicht Versteinerung historischer Stilformen, sondern lebendiger Fladen, der die Ver gangenheit mit der Gegenwart verbinde. Unter dem ,,insolitum", dem Ungewohnten, vor dem sie warne, seien keineswegs Bilder neuen Stils gctneint, sondern Bilder unzulänglicher Ikonographie. Und Grosche konnte gar nicht anders, als eben d i e Kunst unserer Zeit als die sogenannte moderne Kun.st zu lassen; er warnte vor eilfertiger Ver urteilung; daß man meist fürchte, die Schwachen zu ärgern, in Wirklichkeit aber die Starken ärgere. Von den gelehrt-abstrakten, aber scharf durchgedachteu entschiedenen Gedanken des Vortrags 29

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