Christliche Kunstblätter, 92. Jg., 1954, Heft 1

au dieser Gemeinschaft erfaßt, verstanden und ge staltet werden. Sie verschließe sich in ihrem Wesentlichen dem nur ästhetischen Betrachter von außen." Aus dieser Uberzeugung sieht Schwarz die Erneuerung im Kirchenbau nur aus der zum Gottesdienst versammelten Gemeinde und ihren Möglichkeiten einer sinnvollen Ordnung kommen. Diese Ordnung des liturgischen Geschehens sei in allen Einzelheiten nach allen Richtungen hin zu durchdenken und nach den besten Möglichkeiten eines angemessenen Ausdruckes zu durchforschen. Einen Niederschlag solcher Bemühungen, geist licher Feiergestaltung und der Beratungen in Arbeitsgemeinschaften, finden wir in der Ver öffentlichung „Gottesdienst", ,,ein Zeitbuch". In den Jahren, da es nicht möglich war, Kirchen wirklich zu b.auen, hat Rudolf Schwarz das Buch „Vom Bau der Kirche" geschrieben, sozusagen eine Grundlegung des Kirchenbaus überhaupt, in der auch die alten historischen Formen unter neuen Gesichtspunkten eine lebendige Auslegung finden. C. Holzmeister hat in einem Vortrag einmal auf die Bedeutung dieser Schrift hingewiesen, selbst in der Zeit seines Fernseins vom christlichen Abendland, ähnliche Überlegungen ange.stcllt und festgehalten. (Vgl. „Chr. K.", 1950, 3/4.) An sich wäre es auch heute möglich, die schweren Pfeiler der Romanik oder gotischen Gewölbe nach zuahmen, aber dies alles ist doch unaufrichtig, wie man dort sieht, wo es wirklich, und sei es nun auch zeitgemäß abgewandelt, versucht wurde. . Statt der schweren Mauer ist nur die Wand heute gespannte Membrane, die Wölbung wurde durch den auch zugfesten Stahl überwunden. Aber man kann den Bau auch heute noch als plastische Aufgabe sehen und in Wänden und Konstruktion Anlaß dazu finden. Der Skelettbau, wahrscheinlich schon im früh geschichtlichen Holzbau vorgebildet, ist im Grunde genommen raumlos — man denke etwa an den großartigen alten Dachstuhl von St. Stephan, Wien — bedarf der abschließenden Dachhaut oder Wandfläche, die dann aber auch das Spiel der Verstrebungen verhüllt. Von diesem .Skelettbau — wird er bewohnbar gemacht wie das Zelt — ist der Schritt zum Sc.halenb'au hin nicht mehr weit. Hier hat sich das Gerüst gewissermaßen flächlich ausgebreitet, Zeltstab und Zeltplane sind zur Schale verschmol zen. Die Masse zwischen Außen- und Innenfläche, der-alten Architektur, der Stoff der Gestaltung, ist verschwunden, wie der stereometrische Körper die Oberfläche als exakten Ausdruck seiner inne ren Gesetzmäßigkeit zeigt, strebt der Schalenbau, wenn er ganz der Volksordnung, die er birgt, ent- .spricht, zum ,,einhelligen" Werk, bei dem die gleiche Gestalt von innen nach außen den ganzen -Bau durchformt. Damit wäre ein Wunschbild der neuen Architektur erfüllt. Das sind aber wohl doch wirklich neue Mög lichkeiten, die in den Dienst des Kirchenbaues treten können. Man könnte sie ablehnen, wie die zünftige Bau kunst im IQ. Jahrhundert die großen Hallen und S'tahltürme der Ingenieure nicht als ebenbürtige Leistung anerkennen wollte. Es scheint aber wohl doch richtiger, die M'ittel zu nehmen, wie sie sind, wenn sie für das gottesdielistliche Werk des Kirchenbaues geeignet erscheinen und es spricht im Grunde nichts gegen sie, selbst wenn sich neuartige, ungewohnte Lö sungen ergeben sollten, und wieder gerade bei strenger Planung aus den möglichen liturgischen Gemeinschaftsformen heraus, wie sie das Buch ,,Vom Bau der Kirche" äußerst gründlich unter sucht. Alle Grundgestalten, die sich so entwickeln lassen — der Lichtführung kommt noch ganz be sondere Bedeutung zu — liedürfen aber erst einer Verlebendigung in jedem konkreten Einzelfall de.s Hier und Jetzt, wohl auch eines ,,poetischen Ge dankens" wie es R. Scliwarz genannt hat, eines musischen Einfalles. Die praktischen Beispiele, die in Salzburg ge zeigt wurden. Um- und Ausbauten alter Sakral räume und Neuplanungen, ließen eine erstaunliche Vielheit in der Abwandlung jener Grundgestalten erkennen. Es fehlte jede Einschränkung auf be sondere Mittel, die vielfältig der Lage, den greif baren Materialien und den Arbeitskräften entspre chend eingesetzt wurden, auch jedes Festhalten an einem „poetischen Gedanken". Unter den verschiedenen gegebenen Möglich keiten, die angemessenste E'orm zu finden, frei von Sentimentalität, die Vergangenem übermäßig nachtrauert, wie von avantgardistischem Gehaben, das das Neue nur des Neuen wegen sucht, das ist baumeisterliches Können. Das Volk empfindet dann wohl auch den seiner Gemeinschaft gemäßen Leih des Kirchenbaues nicht als Stimmungsapparat für unbestimmte individualistische sonntägliche Ge fühle, sondern als etwas, das Herz und Sinn . tiefer anzusprechen imstande ist, weil es zu aller erst auf den Gottesdienst hin gerichtet ist, daß er sich darin in seiner ganzen Fülle entfalte. Auf die Frage im Laufe der Diskussionen, warum diese neuen Bauten aber so leer und nüch tern seien, gab es die lakonische Antwort: Weil die Mittel in der Regel erschöpft sind, wenn der Bau selbst nur zu Ende gebracht wurde. Es paßt dazu, daß etwa noch das Glasfenster als Zwerg der Monumentalmalerei in Itrscheinung tritt, das von allem Schmuck ja am meisten mit dem Bau selbst als ein technisch notwendiger Bestandteil verschmolzen und verbunden ist, und mit seiner Farbe auch besonders für die Lichtwirkung maß gebend wird. Das Anliegen des Kultes vertrat in Salzburg P. Rapp O.S.B., eindeutig und entschieden, das nur im Mysterienbild dem Sakralraum ent.sprechen könne. Der gemalten biblischen Anekdote, auch wenn sie dem Kirchenpatron gelte, sei ein sekundärer Platz zuzuweisen, die religiöse Idylle hätte keine Daseinsberechtigung im liturgischen Räume. Dieser kurze Hinweis auf die Salzburger Hoch schulwochen 1953 will nicht nur die Bedeutung der gestellten Probleme betonen, sondern auch in Er innerung rufen, in welcher Tiefe alle Planung für unsere kirchliche Kunst immer anzusetzen hätte. A. S. Literatur: R. Guardini: „Von heiligen Zeichen"; „Gottesdienst", ein Zeitbuch. — R. Schwarz: „Vom Bau der Kirche". — C. Holz meister: „Kirchenhau, ewig neu". 28

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