Christliche Kunstblätter, 92. Jg., 1954, Heft 1

schon J. Graus a. a. O, festgestellt, daß sie eine der strengsten und gebundensten, die man an byzantinischen Muttergottesbildern findet, darstellt und ungezwunigen mit dem berühmten Mosaikbilde in der ehemaligen Hauptapsis des Triester Domes aus dem Beginn des zwölften Jahrhunderts ver glichen werden kann'-). Der Madonna, deren Thron nur in einer leisen Rampe am Grunde angedeutet ist, sitzt das göttliche Kind gerade mitten im Schöße, von ihr ge halten auf eine in beiden Darstellungen sehr ähnliche Weise. Das Kind hat den Kreuz nimbus, segnet mit der Rechten (typisch byzantinischer Segensgestus!) und hält eine Schriftrolle in der Linken. Auch die Form und der Faltenzug der Gewänder, beim Kind lebhaft antikisierend, sind unzweifel haft byzantinisch. Geradezu auffallend ist die Art, wie das Obergewand das Haupt der Madonna bedeckt, in parallel ablaufenden Falten, die gescheitelten Haare sichtbar laslend heruntersinkt, eine Manier, die auch an den Oberärmeln beiderseits zu beobach ten ist. Uber der Stirn und am diesen Ober ärmeln sind ferner auch die byzantinisch herkömmlichen Kreuze in Vergoldung ein gezeichnet. Ebenso charakteristisch ist die Bildung der Antlitze an den Figuren, der kleine Mund der Madonna und die Stellung der Füße; alles stimmt .so klar zusammen, daß über den Stilcharakter des Reliefs kein Zweifel bestehen kann. Über die Zeit des Ursprunges und der Herkunft indes kann mangels urkundlicher Belege etwas Genaues nicht angegeben werden. Schon J. Graus erkannte, daß es dem Kunstkreise des roma nischen Stiles der Seckauer Basilika (1143 bis 1164, sächsisch-süddeutscher Prove nienz!) nicht zugeschrieben werden kann. Es müsse schon vor der Erbauung der Ba silika bestanden haben, und zwar aus dem Orient, gelegentlich der Kreuzzüge, nach Seckau gebracht worden sein. E. Tomek übernahm gleichfalls diese Ansicht'''). Ein Abhängigkeitsverhältnis von der Salzburger Buchmalerei ist, wie neuestens M. Schaffler in ihrer wertvollen Arbeit '-) Beschrieben und im Farbendruck abgebildet in den Mitteilungen der k. k. Centraikommission (.Wien), 1859, Tafel VI; vgl, Graus, J., Kirchen schmuck, XI (1880), Nr. 7, S. 78, und Tomek, E., a. a. O., S. 301. ") Tomek, E., a. a. O., S. 302. nachgewiesen hat, nicht gegeben, scheidet vollkommen aus'"'). Die Stilmerkmale des Reliefs weisem einwandfrei nach Süden. Hatte J. Graus und nach ihm E. Tomek unter anderem die Entstehung ins zehnte, elfte und zwölfte Jahrhundert verlegt, so möchte O. Demus es um 1260 aus einer venetianischen Werkstatt nach einem byzantini schen Vorbild vom Typus der Nikopoia stammen lassen'®). Die Beziehungen des Augustinerchor herren- und Domstiftes Seckau nach Süden sind urkundlich nachweisbar, und zwar durch den Bischof von Passau, Wolfger V. Tegernwach, oder Ellenbrechtskirchen (1191—1204), den späteren Patriarchen von Aquileja (1204—1218). Wolfger weihte im Jahre 1197 laut Urkunde vom 19. März 1197 im Auftrage des salzburgischen Erzbischofs Adalbert III. die Kapelle des hl. Jakob in hospitali pauperum, die spätere Pfarrkirche von Seckau'®). Es ist nicht ausgeschlossen, daß es durch den späteren Patriarchen Wolfger über Aquileja nach Seckau gekom men ist. Bis heute sind wir noch auf Ver mutungen angewiesen. Was den Erhaltungszustand des Reliefs anlangt, so zeigte es ferner 1885 anläßlich einer Reinigung, daß Augen, Nase und Lip pen beider Figuren stark abgerieben war, was zweifelsohne auf die volkstümliche Ver ehrung schließen ließ. Die Chorherren reich- *9 Schaffler, M., Romanische Miniaturhand- .schriften aus Seckau in der Universitätsbibliothek Graz, Dissertation, 1952, Nr. 3390, UniversitätGraz, bis jetzt unveröffentlicht. — Wenn J. Graus meinte, daß die Siegel des Stiftes aus der ältesten Zeit (siehe Luschin, A., Die mittelalterlichen Siegel der Abteien und Konvente in Steiermark, mit 47 Holzschnitten, 1874; Separatabdruck aus dem XVIII. und XIX. Bd. der „Mittheilungen der k. k. Central-Commission für Erforschung und Erhal tung der Kunst- und historischen Baudenkmale") auf dieses Ursprungsbild hinweisen und Marien darstellungen verwandter Natur aufzeigen, so dürfte eher ein Abhängigkeitsverhältnis von der Salzburger Miniaturmalerei nachzuweisen sein als umgekehrt. ") Anläßlich eines Besuches des Herrn Präsiden ten O. Demus vom Bundesdenkmalamt in Seckau, Herbst 1952, wurde ihm vom Verfasser das Mar morrelief zur Bestimmung in der Goldschmiede werkstätte überreicht. "') Hauthaler, Martin, Salzburger Urkundenbuch, II. Bd., Nr. 515, S. 698; vgl. auch Klebel, E., Zur Geschichte der Patriarchen von Aquileja, Son derdruck aus Carinthia I, Mitteilungen des Ge schichtsvereines für Kärnten, 143. Jahrgang, Kla genfurt, 1953, S. 350. 25

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