Der Christ und die Kunst Von Doz. Dr. eonh ard Kii ppe r,s, Düsseldorf (Dazu die Abbildung i) Warum Kunst? Vor dem Schaufenster einer modernen Galerie stehen zwei Frauen. Sie betrachten Bilder des französischen Malers Signac. „Eigentlich ganz schön", sagte die eine. ,,Sicher", sagte die andere, „aber was ver stehen wir schon davon! Dafür sind wir zu dumm. Und außerdem, wer kann sich so etwas kaufen! Das ist nichts für unsereinenDas ist etwas für Leute mit Geld. Komm!" Sie gehen weiter und stehen dann lange vor dem Schaufenster eines Damenkonfektions ladens. Ich betrachte weiter die Gemälde von Signac und mache mir meine Gedanken. Daß da etwas Besonderes ist, vielleicht sogar, daß da in den Bildern von Signac Kunst ist, mochten die beiden Frauen geahnt haben. Aber ist es wirklich so, daß Kunst nur eine Angelegenheit für die Rei chen ist oder für eine bestimmte Sorte gei stiger Feinschmecker? Die Ansicht ist so sehr verbreitet, daß breite Schichten des Volkes geradezu eine Scheu davor haben, echte Kunst in die Zimmer zu hängen. Es ist im Grunde eine Scheu davor, sich damit über die andern zu stellen, etwas Beson deres sein zu wollen. Und so bleiben sie beim billigen Kunstersatz, beim Kitsch. Eine andere sehr weitverbreitete' Auffas sung ist die, daß Kunst nichts anderes sei, als eine Verschönerung des Le bens, wobei es dem einzelnen überlassen bleibt, davon Gebrauch zu machen oder nicht. daß sich „Fachleute" finden, die eine ebenso große Liebe wie Geduld aufbringen, die Kinder des Volkes zur Kunst hinzuführen, ihnen gleichsam die Augen zu öffnen. Daß weite Kreise des Volkes, auch des christ lichen Volkes, keine blasse Ahnung von Kunst haben, beweist keineswegs ohne wei teres eine mangelnde Intelligenz. Wie sollte ein Arbeiter, dessen Tag randvoll mit Ar beit und Sorgen um das tägliche Brot aus gefüllt ist, schließlich von selber noch zur Beschäftigung mit Kunst kommen! Es liegt vielmehr daran, daß man ihm etwas vorenthält, was andern von der Gunst ihrer Verhältnisse her leichter zugängig ist, auf das aber auch e r ein echtes Anrecht hat; denn Kunst gehört — als ein ganz bestimm ter geistiger Bereich — zum Leben. So lange es Menschen gibt, gibt es auch schon Kunst, mag sie in den Anfängen auch viel von der rührenden Unbeholfenheit der Kin dermalereien an sich gehabt haben. Der Mensch ist ja auch nicht immer das voll kommene Gebilde gewesen, als das wir ihn heute kennen. Hier sind zwei böse Irrtümer. Es gibt keine „Kunst für die Massen", aber es gibt sehr wohl eine „Kunst dem Volke", besser eine Kunst für das Volk. Gewiß ist Kunst nichts Leichtes. Man muß sich schon ein wenig dabei anstrengen. Aber wo in aller Welt steht geschrieben, daß Volk gleich Dummköpfe wäre, daß nicht vielmehr bis in alle Schichten und Kreise des Volkes hinein soviel geistige Fähigkeit wäre, daß nicht auch etwas von echter Kunst begrif fen werden könnte. Es kommt darauf an, Kunst also ist keine bloße „Verschöne rung des Lebens", kein privater Luxus also. Sie ist vielmehr so etwas wie eine Notwen digkeit. Das aber heißt ganz klar Wende der Not. Man denke sich einen Menschen, der gleichsam „Hirn und Herz" voller Ge danken hätte, aber weder sprechen noch schreiben könnte, um diese Gedanken aus zudrücken! Wäre der nicht wirklich in Not, in einer Not, die gleichsam nach einer Wende schrie! Wäre hier die Sprache nicht eine klare Not-Wendigkeit? Ähnlich ist es bei der Kunst. Auch sie ist eine Notwendig keit! Zunächst für den Künstler. Er hat keineswegs die Aufgabe, die Natur in einem Gemälde oder in einer Holz-, Marmor-, Bronze- oder Tonfigur so wiederzugeben wie sie jeder sehen kann. Das wäre wie eine Photographie; und Kunst hat mit der Photographie nichts zu tun. Das meinen zwar sehr viele, weshalb sie sich von vorn herein von solchen Werken abwenden, die 1 1 .-.ri riv .ii
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