Christliche Kunstblätter, 92. Jg., 1954, Heft 1

Verehrung teilten, als das Marienbild noch in der Nonnenkapelle (ehem. Margarethen kapelle, jetzt Bischofskapelle!) bis zur Über tragung in die „Ursprungskapelle" bzw. Kapitel aufgestellt war. Der Stiftschronist F. M. Gauster weist in seiner Interpretation der obgenannten Ablaßurkunde vorn Jahre 1332 nach, daß das ,,Ursprungsbild", das seit den Anfän gen des Chorherrenstiftes in dessen Besitz gewesen sei, unter Propst Ulrich IV. Colusser (1414—1436) über dem Eingang der Ulrich-Liechtensteinkapelle zur öffentlichen Verehrung angebracht war (notum est, a coemeterio progressum fieri ad Peristillium [Kreuzgang], ubi cultui publico exposita est I c o 11 l5eiparae, Pusionem divinum in sinu gestantis, olim quidem muro ante Liechtensteinensis sacelli ingressum adhaerentis . . .). Er.st Propst Paul Franz Poiz (1703 bis 1733), der auch einen mächtigen Chor über dem Eingang der Stiftskirche erbauen ließ, errichtete einen eigenen Altar in der Ursprungskapelle bzw. Kapitelsaal für das Gnadenbild (iam vero a pietate Pauli Francisci praepositi altari a se inde constructo impositae . -. .). Von besonderem Interesse ist die Erwähnung eines Kanons XV. der Konstitutiones . . ., daß unter Propst Ul rich IV. im Jahre 1418 für .Prozessionen und die Gewinmung des Ablasses der Be such des Gnadenbildes an Festtagen den Frauen im Kreuzgang gestattet wurde (similiter inhibemus mulieres, . . . sed ad faciendas prozessiones et propter indulgenas coram iniagine B. M. V. coram capitulo, ubi frequens concursus fit in diebus . solemnioribus, mipsis mulieribus salva honestate in ambitu fore indulgemus; anno iqiS"'"'). Daß Seckau sich nach 1332 neben Maria zell und Straßengel bald zu einem Wallfahrts ort ,,Unserer Lieben Frau" entwickelte, be weist eine für uns wertvolle Eintragung in der Handschrift II 756 der Grazer Uni versitätsbibliothek (einst Seckauer Hand schrift) aus dem Jahre 1345")- Auf Blatt 2, rechte Kolumne, der liturgiegeschichtlich hochinteressanten Handschrift vermerkt der Schreiber die Kirchen, die Seckau mit ■') Gauster, a. a. O., S. 367. ") Roth, B., Die Seckauer und Vorauer Osterliturgie im Mittelalter, in: Seckauer gcsclüchtliche Studien, Heft 4, 1035, S. 14 f. Wachs zinspflichtig waren. Es sind deren 16 im Umkreis von Seckau. Blatt 12a und 12b geben des näheren Aufschluß über die auf Blatt 2 eingetragenen Wachsleistungen, die je nach Größe der Pfarre verschieden waren. Sie sind der erste Beleg für Seckau als Wallfahrtsort. Am ,,hübschen mittich", d. i. Mittwoch nach Pfingsten, fand eine große Wallfahrt nach Seckau statt. Daran beteiligten sich die auf Blatt 2 angeführten Kirchen: St. Michael a. d. Liesing, Sankt Stephan ob Leoben, Kraubath, St. Mar garethen bei Knittelfeld, Lobming, Inneriobming, Weißkirchen, Lind, Fohnsdorf, Schönberg, Gaal, Knittelfeld, Kobenz, St. Marein bei Knittelfeld, Feistritz bei St. Marein, St. Jakob in hospitali (Seckauer Pfarre), von .späterer Pfand: S. Colomannus, Kapelle in Raßnitz, Pfarre Kobenz. Bei dieser Gelegenheit opferte der Zech meister jeder Pfarre das Wachs als Opfer ,,das soll praucht werden zw den liecht vnd kertzen vnser frawen zw lob vnd er." Der Küster von Seckau war verpflichtet, jedem Zechmeister für dessen treuen Fleiß und Mühe ein paar Plandschuhe, einen geweih ten Gürtel aus weißem Zwirn zu geben zu einem Meßgewand oder eine Schnur von Zwirn mit drei Franzen und die Knöpfe mit ,,fleißedenn umb wundrem" und einen Becher Wein, der ein Maßl ist, dazu Käse und Brot. Auch soll der Küster den Pfarrherren genannter Kirchen oder Verwesern jährlich in der Zeit zwischen St. Martin .und Weih nachten durch einen eigenen Boten ein Paar ,,brüeder schüech mit viltz vnter zogen vnd langkh seyn pys an dy khnie" schicken, wo für jeder Pfarrer vier Pfennige zu geben hat. Der Pfarrer soll von der Kanzel herab den Zechmeister und das Wik ermahnen, daß die genannte Summe von Wachs der Seckauer Kirche am Mittwoch nach Pfing sten gereicht werde ,,vnd das das also ge lullten werdt durch das verdyen unser lie ben frawen so verleych vns got dy ewig rüe vnd sälikayt. Amen." Durch das ganze Mittelalter hindurch bis zur Authebung des Augustinerchorherrenund Domstiftes unter Kaiser Josef H. wurde dieses Marmorrelief im Kapitelsaal bzw. in der ,, Ursprungskapelle" verehrt, der sich tinmittelbar die leider 1832 abgebrochene Ulrich-Liechtensteinkapelle anschloß. Das erhellt auch aus einem Wahlinstrument des 23

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