In Italien wurde bisher meines Wissens kein einziger Grabfund des achten und neunten Jahrhunderts mit fränkischen Stilzeichen gemacht, ebenso fehlt dort eine nennenswerte fränkische (karolingische) Baukunst, denn Großbauten, wie zum Bei spiel St. Johann zu Münster (Graubünclen), St. Benedikt in Mals und San Vittore Genga blieben Ausnahmen und ohne Wei terwirkung. Die Worte Chiappellis®) — „im Gegensatz zu den Langobarden schufen weder Karl der Große noch seine Nachfol ger, weder die sächsischen Kaiser und auch nicht Friedrich Barbarossa in Italien be achtenswerte Kunstdenkmäler. Es ist not wendig, bis zu Friedrich II., dem Flohenstaufen, heraufzugehen, um großartige Werke der Baukunst (wieder) zu finden, die von Germanen auf italienischem Boden errichtet worden sind" — gelten in ihrer apodiktischen Form nicht nur für die Bau kunst, sondern auch für die germanisch be einflußte ornamentale Plastik. Zu diesem Aufsatz sind nun einige, von mir aufgenommene Flechtbandplatten ab gebildet, die fast durchwegs dem späten achten Jahrhundert angehören und moti visch mit den Linzer Stücken deutlich ver wandt sind. Ein darunter befindliches Bei spiel aus Rom (eines unter vielen!) zeigt ferner, wie dieses im Grund doch wenig varierte Flechtbandrelief in seiner fast monotonen Verwendung für Altar-(Chor-) schranken (Cancelli) als modisches Re quisit sich sogar im langobardenfeind lichen Rom vielfach nachweisen läßt, wo gegen dort von karolingischer Kunst, dar unter auch von karolingischer Ornamentik vor 900 keine Spuren vorhanden sind. Zum weiteren bildlichen Vergleich mit den Lin zer Platten sei noch auf folgende Denk mäler verwiesen; a) abgebildet bei Rudolf Kautzsch, Die langobardische Schmuck kunst in Oberitalien (Wien, 1941)- Abb. 6, Bobbio, S. Colombano, vor 750; Abb. 20, Aquileja, Randstücke einer Schran kenplatte, Ende achtes Jahrhundert; Abb. 27/28, Bobbio, S. Columbano, Platten reste, spätes achtes Jahrhundert; Abb. 30, Bo logna, Sto Stefano, Plattenbruchstück; Abb. 38, Mailand, Castellmuseum, Ambo, um 780; Abb. 42, Pavia, Museo civico', Grabplatte, um 750, und Abb. 35, Grado, Dom, Patriarchenstuhl, um 780/790; b) ab gebildet in meinem Buch „Die Kunst der Langobarden in Italien" (Jena, Diederichs, 1941); Abb. 13c, Bardolino, S. Severo, um 760; Abb. isc, Verona, S. Lorenzo, um 780; Abb. i8b, Verona, S. Lorenzo, um 780; Abb. 22a, Ventimiglia, Ende achtes Jahr hundert u. a. m. Der Großteil dieser, mit den Linzer Reliefs auf das engste verwand ten Beispiele stammt aus einer Zeit, in der für Oberitalien von einer karolingischen Kunst nicht gesprochen werden kann, und auch nach dem Fall von Pavia 744 ist dies nicht der Fall, da Karl der Große sogar organisatorisch das alte Gefüge intakt ließ®) und nur personelle Veränderungen vorpahm; auch von einer Änderung der kul turellen Lage ist nichts vorerst zu bemer ken, wohl aber standen bei Karl und sei nen Nachfolgern die langobardischen Künstler in hohem Ansehen. Diese Situa tion bedingt, daß wir mit Recht, wenig stens für die Ostalpen (und natürlich auch für Oberitalien), von einer nach langobar dischen Kunst sprechen können^®). Auch die Linzer Platten dienten, wie dies Franz Stroh überzeugend bewiesen hat^^) seinerzeit als Chorschrankenbelag, also der herkömmlichsten und beliebtesten Verwen dung. Ihr Material ist Marmor aus Südkärnten; derselbe Marmor kommt aber auch in der Carnia, zum Beispiel in Zuglio, vor, und von dort bezogen die friulaner Steinmetzwerkstätten der Langobarden das Material; die langobardischen und nachlangobardischen reliefierten Platten in Cividale, Grado, Aquileja, Sesto al Reghena ®) Memorie stör, forotgiuksi (Udine, 1923). Fa,st die ganze nicht cuvinistische Wissenschaft Italiens folgt dieser Meinung, der sich u. a. im großen auch einer der besten Kenner der Völker wanderungszeit in Italien, Carlo Cecchelli, anschloß. ") Ludo Hartmann, Geschichte Italiens im Mit telalter, Bd. II/2 (Gotha, 1903) und E. Schaffran, Geschichte der Langobarden (Leipzig, 1938). Siehe meine einschlägigen Aufsätze in „Mannus", a. a. O., ferner in ,,Berichte und Mitteilun gen der deutschen Akademie München" (München, 1940, Heft I u. 2). Erst die Anerkeniiung des lan- . gen Nachwirkens einer postlangobardischen Kunst in der ostalpinen Früh- und Hochromanik könnte manche ihrer Erscheinungsformen klären, und auch die stilistische Zuschreibung der Linzer Platten hängt damit zusammen. ") In „Juraschek und Jenny, Die Martinskirche in Linz", a. a. O., S. 64. Über Form, Dauer und Verbreitung von Chorschranken (Cancelli), die mit Reliefplatten bedeckt sind, müßte einmal eine mo derne Untersuchung vorgenommen werden. 11
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2