man auch in der Runeninschrift des PiräusLöwen vermutet. Er steht heute vor dem Arsenal Venedigs. Oft läßt die Inschrift künftige Geschlech ter wissen, daß man für die Rettung der abgeschiedenen Seele einen Weg hat an legen, eine dauerhafte Brücke hat bauen lassen. Diese Botschaften an die Nachwelt, die der Römer in klarer Antiqua in Mar mor gemeißelt hat, übergibt der zur Ge schichte erwachte Nordländer .seinem Gra nit und stattet sie mit dem Geschlinge sei ner Schlangen und Drachen aus. Der Runenstein enthält aber auch die Spuren des zweiten Aktes in diesem histo rischen Drama. Die Schildmauern der wikingischen Drachenschiffe mögen wohl für die heranschwirrenden Pfeile der Ver teidiger undurchdringbar, die zuhauenden Schwerter der Invasionsheere unwidersteh lich und von einer solchen Schlagkraft ge wesen sein, daß jede Gegenwehr schnell er liegen mußte. Die Sieger konnten dann wohl die Klöster Irlands oder der englischen Inseln plündern, die Mönche morden, die Nonnen schänden und sie dann ins Feuer werfen, schließlich dem Land vernichtende Steuern auflegen. Aber: es waren doch nur Pj'rrhussiege, die diese weißblonden und rothaarigen Berserker errangen. Mit dem Raubgut schlich sich etwas für sie selbst Gefährliches in ihre eigenen Reihen ein. Das kam schon darin zum Ausdruck, daß die Be herrscher des Augenblicks ratlos wurden, wenn es galt, ihre Taten im Gedächtnis der Menschheit zu bewahren, sie Geschichte werden zu lassen. Die Runensteinmei.ster, die vor der neuen Aufgabe standen, gefal lenen Wikingern ein Denkmal zu setzen, mußten sich erst nach Vorbildern umsehen, um die Inschrift mit dem würdigen Dekor zu versehen. Und diese Vorbilder fanden sie in den von Mönchen gemalten Blättern der Evangelienbücher, die von den Räubern mitgebracht worden waren. Wir sehen in der Tat auf vielen Runensteinen Entspre chungen der Ornamente mit denen von Initialen und Randleisten, womit die hei ligen Evangelisten Matthäus, Johannes oder deren Symbole eingerahmt waren. Besonders der Codex aureaus, der offenbar von Wi kingern entführt, am Ende des neunten Jahrhunderts aber an Herzog Aelfred wie der verkauft und von diesem und seiner Ge mahlin der Kathedrale von Canterbury gc-- stiftet worden war, scheint als Vorbild ge dient zu haben. Eine Art Vignette des Codex — das Blatt befindet sich in der kö niglichen Bibliothek zu Stockholm — zeigt zwei von Ranken umflochtene Tiere. Das war aber nur der Anfang der großen Wandlung. Als Nächstes folgte die An nahme des Kreuzes, das die Räuber ausge rottet wähnten und doch nicht länger um gehen konnten, ohne sich selbst hoffnungs los von der gesamten Umwelt zu isolieren. Die Enkel der Piraten kehrten als Christen zurück, und manche Runenstein-Inschrift meldet rühmend, daß der Tote „in Tauf kleidern" gestorben sei. Wikingerfürsten werden christliche Fürsten. Der Norweger Olaf Tryggvasson, ein Held der Sage, der sein Land missionieren wollte und starb, ohne sein Ziel erreicht zu haben — er sprang ins Meer, als er sich bei Svolder von feind lichen Schiffen umgeben sah — hatte als Wikinger begonnen. Olaf Haraldson — der Heilige —, der mit größerem Erfolg den Bekehrungsversuch wiederholte und als der erste christliche König und Märtyrer Nor wegens starb, hatte seine Jugend an einem englischen Wikingerhof verbracht. Die irischen und englischen Missionäre folgen dieser politischen Strömung und scheinen sich auch um die Meister des Nor dens bemüht zu haben, wenn sie nicht sogar selbst die Arbeit der Einmeißelung besorg ten. So sind die Runensteine des elften Jahrhunderts schon voll von Kreuzen, die in einer Art unberührten Zone oberhalb oder innerhalb des Schlangengetümmels schwe ben, als ob sie im Abstand von der alten ungebändigten Natur wären. Wir finden dort das Kreuz, das an die Johanniterform erinnert, und ein kleineres, das sich an der Linterseite zu einem Stiel verlängert und sich somit als Prozessionskreuz ausweist. So vollzieht sich die geheimnisvolle Umkehr des großen Aufbruches: der Norden, der seine Wälder und Steinküsten verließ, kehrt mit dem Kreuz zurück. .Der Järfstastein, den man auf 1050 datiert, enthält neben der Bitte an Christus auch eine an die Mutter Gottes für die Seele des toten Tjudmund: eine früheste Spur der Madonnenverehrung in Schweden. Übensetzungen vom Artikel-Verfasser.
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