Bundesgewerbeschule Steyr 1954-1963
Viktor Kaplan, ein Vorbild Wasserkraftmasch inen Der Zug hat uns im Morgengrauen nach kurzer Fahrt von der Schule an das Ennskraftwerk Staning gebracht. Eine Turbine steht in Reparatur. Es besteht die Möglichkeit, daß die Schüler des IV. Jahrganges das ein- gebaute Laufrad der Kaplan-Turbine sehen können. Einzeln steigen sie durch den zehn Meter tiefen Revisionsschacht an Steigeisen lotrecht hinunter, ge- langen durch ein enges Tor in das riesige betonierte Spiralgehäuse und tur- nen auf angelegten Pfosten zu den Leitschaufeln hinauf, die so hoch sind, daß man aufrecht zwischen ihnen hindurchtreten kann. Dann sind sie über dem Laufrad. Auf einem der Flügel finden sechs Schüler sitzend leicht Platz. Staunend betrachten sie die gewaltigen Drehzapfen, die Glätte der elegant geschwungenen Schaufeloberfläche und ziehen sid1 dann befriedigt und tief beeindruclct wieder zurück, hinauf ins Freie. Im Maschinenraum sehen wir di e Doppelregler, von denen aus mittels Drucköles die Laufschaufeln, auf welchen wir saßen, während des Laufes ver- stellt werden können, und die Druckölanlage, oben die Generatoren, die Schaltwarte, außen die Rechen- und Wehranlage. Alles geht klar, sicher und zuverlässig. Nach Stunden treten wir den Rückweg zu Fuß an, wandern im herbst- lichen Sonnenschein durch das schöne Ennstal. und dabei gibt es selbstver- ständlich viele Fragen: ,.Warum hat man die Enns nicht schon früh er aus- gebaut, wie z. B. die Drau? " Dazu meint der Lehrer: ,. Dort konnte man noch mit Francis-Turbinen auskommen, und außerdem war damals der Kampf noch nicht entschieden, den Kaplan für seine Erfindung führen mußte, und den er nur unter Einsatz aller körperlichen und geistigen Kräfte, und trotz schwerer Rückschläge gewann. Gesundheitlich schwer angegriffen, sta rb er schon mit 5'8 Jahren auf seinem Besitz Rochus Point am Attersee" . ,.Wieso gab es da Kampf und Rückschläge? " ,.Setzen wir uns hier im Grünen am Ufer nieder, ich werde es euch erzählen: ,. Kaplan hatte sich erlaubt, gegen die Francis-Radialturbine, die damals bei Niederdruckanlagen den Markt beherrschte, aber nur eine Schnelläufigkeit von höchstens 3 80 erreichte und bei Halblast bereits einen sehr schlechten Wirkungsgrad aufwies , der auch durch das gleichmäßig erweiterte Saugrohr nidit 'besser wurde, seine Axial- turbine anzubieten, die eine Schnelläufigkeit von 1000 und noch mehr hatte und einen Wirkungsgrad, der bei Vollast wesentlich höher lag als bei der Francis-Turbine und sich bei Teillasten kaum verschlechterte. Man wollte den Konkurrenten nicht aufkommen lassen und bekämpfte ihn daher, wies auf die teure, komplizierte, angeblich nicht betriebssichere Konstruktion hin und erklärte seine Idee als praktisch verfehlt. Kaplan ließ sich jedoch nicht beirren. Er war nicht nur ein ausgezeichneter Strömungstedmiker, sondern auch ein unermüdlicher Forscher, gewohnt, den Ergebnissen exakter Reihen- versuche zu folgen . In seinem Bestreben, den durch den Antrieb elektrischer Generatoren notwendig gewordenen hohen Drehzahlen auch bei Nieder- druckturbinen näherzukommen, mußte er dem Radiallaufrad, von dem er 34
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