Bundesgewerbeschule Steyr 1954-1963

Es ist der 26. Oktober, der Tag der österreichischen Fahne. Marsch- musik tönt aus den Lautsprechern über den Platz vor der Schule, wo sich die etwa 700 Sd,iiler und 90 Lehrer der BGS zur Feier versammeln. Ein reicb.ha.ltiges Programm wird ablaufen, immer wieder einmal von Melodien aus den Lautspred1ern 'begleitet. Dem aufmerksamen Zuhörer fallt auf, daß immer zur rediten Zeit die riditige Begleituug genau nach' Takt ertönt. Die Regie führt und für den Ton verantwortlich ist die Hodifrequenza.bteilung. Wie macht sie es, daß es so sd1ön klappt? Wie überall im Leben ist audi in der Technik Vorbereitung alles . Nach der genau vorherbestimmten Pro - grammfolge wird die Musik auf ein Tonband aufgenommen, wobei Lehrer und Smüler aus privaten Beständen erforderlidie Sdiallplatten beisteuern . Eine mit den Sängern und den Turnern durmgeführte Generalprobe erweist, daß Tempo, Tonstärke und Programmfolge stimmen. Das Tonbandgerät wird über einen so-Watt-Verstärker an die Lautspredier angeschlossen und das jedes Jahr neu aufgestellte Programm kann unter Mitwirkung der Hf-Abtei- hmg aiblaufen. Das erste Halbjahr ist zu Ende, ab morgen sind Semesterferien. Der Deutsmlehrer betritt das Klassenzimmer der 1 MS. Erfreut stellen die Schü- ler fest, daß er den Plattenspieler der Smule mit hat. Sdiillers Balladen, in Spra.me und Inhalt so redit geeignet die Fünfzehnjährigen zu begeistern, bra.udien neben der Erklärung vor allem eine n Vortrag, der die Dramatik des Gesmehens unterstreidit, die Bilder, die der Dichter malt, ausführt und die Pointe herausarbeitet. Wer sonst als einer der Heldendarsteller unseres Burgtheaters wäre geeignet, vor die Schüler hinzutreten und sie in den Bann des Geschehens zu ziehen. Die Sdrnllplatte muß de1, Redner ersetzen. Sdion klingen die ersten Verse des „Taud1ers" durch den Ra.um. Mäuschenstill lau- sdien die Schüler den klassischen Worten, die, aus dem Munde des leider sdion verstorbenen Burgsdiauspielers Albin Skoda kommend, von der Platte wiedergegeben werden. Niemand amtet auf den herrlidien, draußen im Son- nensdiein glitzernden Schnee, alles ist den wunderbar geformten Sätzen des Klassikers hingegeben: ,, Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp ' ... " Tra- gisd, rollt die Handlung vor dem geistigen Auge der jungen Zuhörer a.h, und ans Herz greift es ihnen, wie den Verwegenen unerbittlich sein Smicksal ereilt, sie glauben die hohle Brandung zu hören, die nimmer den Kühnen wieder ans Lid1t bringt. Sdiweigend findet die Klasse erst a.llmählid, in die Gegenwart zurück. Dann kann die Diskussion einsetzen : Warum wagte der Taudier ein zwei- tes Mal sein Leben, das ihm das erste Mal nur durd, ein glücklidies Spiel der Naturkräfte erhalten blieb? Die reine Mutprobe ergab ein gutes Ende des Wagnisses. Als er aber persönlidie Vorteile erringen wollte, die Königs- tomter und mit ihr die Krone des Reimes, da strafte ihn das Sdiicksal. Nüditerne Tediniker? Nein! Durd1 die Tedmik wurden sie zum emp- fän.glidien Mensdien erzogen. Prof. R. Huemer Kustos 109

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