Bundesgewerbeschule Steyr 1954-1963

vice-Zeichen auf der rechten Brustseite. Ein kurzes Zögern, dann beidersei- tiges Erkennen: ,. Grüß Gott, Herr Professor! Was ist denn passiert?" Es war ein Schüler des dritten Jahrganges unserer Höheren Kraftfahrzeugabteilung. Ich erklärte ihm kurz meine Beobachtungen. Er holte sich sein Werkzeug und verschiedene Meßgeräte und machte sich an die Untersuchung. ., Die Zündung ist in Ordnung, es könnte noch am Vergaser liegen oder an der Kraftstoffpumpe" , meinte er dann. Ich riet ihm: .. Bevor Sie den Vergaser zerlegen, überprüfen Sie ldoch! die Pumpe". Und wäh!'end er begann, s.ie ab- zumontieren, hatte ich Gelegenheit, verschiedene Fragen zu stellen. .. Wie kommen Sie denn hieher?" .. Ich bin schon das zweite Mal auf Ferialpraxis hier" , erklärte er mir, ., es gefällt mir, und ich glaube, manJ ist mit mir zu- frieden, denn voriges Jahr, als ich am Ende der vier Wochen mein Praxis- zeugnis bekam, meinte der Chef, ich kö1111te die näd1sten Ferien wieder kom- men. Ich werde heuer auch schon wie ein Facharbeiter bezahlt! Lernen kann man in so einer großen Servicestelle sehr viel, besonders jetzt während der Reisezeit. Da kommen Wagen der verschiedens ten Typen, und soviel haben wir bei unserem Fad1lehrer in der Schule gelernt, daß ich fast alle Montage- arbeiten selbständig ausführen kann. Wejß ich einmal nicht weiter, dann gibt mir der Meister gerne die nötigen Erklärungen. " ..Da haben Sie also sd10n die zweimal vier Wochen der vorgeschrie'benen Praxis", meinte id1 . ., Ja, und zwar bekomme ich in mein Reifezeugnis zwei richtige Fach- praxiszeiten eingetragen. Ich habe auch in den ersten Ferien gearbeitet, aber mehr um Geld zu verdienen. Man hat ja so seine Wünsche." Ich war neu- gierig und wollte wissen, welcher Art diese Wünsche seien. .,Wir wollen eine sd1ö11 e Maturareise machen, die viel Geld kost et. Von meinem Vater kann id1 es nicht verlangen, und zu Hause bleiben will ich schon garnicht . Meinen B-Führerschein habe ich schon, jetzt möchte ich noch den C-Sd1ein machen und in den letzten Felien irgendwo als Lastwagenfahrer arbeiten, dann wird das Geld für di e Reise reichen." Die Pumpe war ausgebaut, und er verschwand in der Werkstätte. Nach kurzer Zeit kam er wieder und erklärte sachlid1 , daß beide Ventile der Pumpe undicht wären und ausge- tauscht werden müßten. Die Membran sei in Ordnung. Es war ein Vergnü- gen, ihm zuzuhören, wie er mir voll Eifer die Funktion der Pumpe erklär te und auch seine Vermutungen , weshalb dfo Ventile undicht geworden waren. In kurzer Zeit hatte er die Pumpe in Ordnung! und mamte sich an den Ein- bau . ..Wissen Sie etwas von Ihren Mitschülern?" fragte ich . .. Alle arbeiten, Herr Professor, denn einige haben noch nich t ihre vo rgeschriebenen zweiten vier Wochen, weil sie bisher nur ans Geldverdienen gedacht haben. Sie wis~ sen ja, Herr Professor, wie das so ist: Moped, ein heißer Wunsch, gute Kleidung und verschieden.es andere: Manch e hatten es gut getroffen, die im Ausland waren. Aber sie haben zugegeben, daß sie sehr sparen mußten, denn wenn auch die Löhne höh er waren als bei uns, so waren die Lebenshaltungs- kosten eben auch höher. Eini ge waren in Schweden als Erntehelfer einge- setzt. Si e hatten harte Arbeit, die aber für sie wertlos war, weil sie als Praxis nicht zählt . Gut, sie ha'b en ein anderes land und andere Menschen kennengelernt, das ist auch ganz schön. Wenn ich aber daran denke, wie 105

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