Manfred Brandl - Der Kanonist Joseph Valentin Eybel 1741-1805

fachlicher Überzeugung geborene Leistungen? Hatte ihm etwa sein Protektor, Fakultätsdirektor v. Heinke, Zusicherungen gemacht, er würde sich dafür einsetzen, daß ein Eybelsches Werk zur Vorlesegrundlage erklärt werde? Das möchte nicht aus der Luft gegriffen sein. Hatte Eybel vor allem die Absicht, dem Hof und einigen für ihn wichtigen Persönlichkeiten zu schmeicheln? Hatte er nicht vorausgeahnt, daß seine Schärfe im Ausdruck und Inhalt selbst den gescheiteren und redlicheren unter den Aufgeklärten zu weit gehen müsse? Sein Temperament ist ihm durchgegangen, es ist nicht zu übersehen. übersehen wollen wir auch nicht, daß keine theologische Disziplin der Zeit in österreichischen Landen so fruchtbar war, was die Abfassung von Kompendien und Lehrbüchern betrifft, wie gerade das Kirchenrecht. Hierin schrieb man ohne Aufforderung, wo in anderen Disziplinen trotz Aufforderungen und Ermutigung seitens der Studienhofkommission nicht so schnell etwas von den zuständigen Professoren verfaßt wurde197 . Kirchenrechtslehrbücher schrieb man auch ohne die moralische Gewißheit zu besitzen, daß das Werk allenfalls Lehrbuch an den Hohen Schulen werden könnte. Dafür gibt es allerdings viele Jahrzehnte lang kein Kirchenrechtshandbuch aus einem österreichischen Verlag, das den römischen Prinzipien gehuldigt hätte. Erst mit 1848 bahnt sich in dieser Hinsicht eine neue Entwicklung an. Es ist eine jener Zeit innewohnende Antinomie, daß einerseits so viele aufgeklärte Tendenzen auf Liberalisierung ausgehen, auf Freiheit des Individuums von Bindungen, die nun als repressiv empfunden werden, andererseits das Herrschaftssystem im Zeitalter des Josephinismus, das sich selbst als aufgeklärt betrachtete, in Hinblick auf die Kirche das genaue Gegenteil dieser Tendenz des Zeitgeistes taten, ohne daß sich jemand anderer beklagt hätte als die „Konservativen", die „Ultramontanen", die „Finsterlinge". Wenn man das geistige Gesicht Österreichs in der Aufklärungszeit betrachtet, so steht das interessante Faktum da, daß zwar sehr vieles (ab der Preßfreiheit 1781) geschrieben und veröffentlicht werden durfte, in gewissem Ausmaß gegen die Maßnahmen des Kaisers, der Kirche aber jegliche Freiheit der Lehre restlos und total benommen war. So ist aber Freiheit im Profanen (im Dienst der herrschenden Staatsideologie) und Unfreiheit im kirchlich-theologischen Bereich (ebenfalls im Dienst der Staatsideologie) eine der inneren Unwahrheiten des josephinischen Zeitalters. Die „aufgeklärte" Religion ist bei Männern wie Eybel letztlich nur mehr soziologisches Gebilde, theologisch blutleer. Die Kirche ist da, und nach außen hin noch machtvoll, für das moderne, kirchlich emanzipierte Denken der Zeit sogar zu machtvoll. Deshalb fügt man sie, im Geleise des „mathematischen", die 197 Beispiele etwa bei Brand!, Theo!. Fakultät Innsbruck, S. 41 f. (Exegese), 48 (Patristik), u. ä. 78

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