Manfred Brandl - Der Kanonist Joseph Valentin Eybel 1741-1805

da überhaupt der Mensch eine Knospe ist, die erst dort zur Blühe und zu Früchten kommen wird, wozu hienieden nur Anlag und Fähigkeit in ihr verfüllet ist. Auch der Bauer faßt diese Begriffe, wenn sie ihm im Volkstone beygebracht werden, und dann wird erst die Andacht eine wahre, eine zur zeitlichen und ewigen Seligkeit führende, eine für jeden tröstliche und auch in Rücksicht auf Familien, Gesellschaften, Staat gemeinnützige Andacht. Man hätte gewunschen, daß das bischöfliche Konsistorium die Ermahnung alle ungewissen Geschichten und Wunder mit Stillschweigen zu übergehen überhaupt gegen die Legenden und Wunder die nicht in der Bibel gegründet sind, eingerichtet hätte, denn alle übrige sind zu vielen Zweifeln unterworfen. Nullum talium miraculorum post tempora apostolorum est revelatum in verbo Dei, proinde nullum est de fide divina sagt der berühmte Veronius3 in seiner Regula fidei , hiemit müssen auch solche Geschichten und Wunder dort nicht vorgebracht werden, wo man nur das Wort Gottes, und die in demselben gegründete Glaubens und Sittenlehre im Zusammenhange selbst mit den Gesetzen der Natur und den Gesetzen unserer Regenten und in der Anwendung auf die Handlungen des nicht wunderwirkenden, sondern natürlichen Menschen vernehmen soll. Was in Concil. Trid. sess. 22da de sacrif. missae cap. b, et sess. 25ta de invocat. [ione, veneratione et reliquiis Sanctorum ... ]4 angeführt wird, wird auch allerdings bis auf die Ausdrücke: Episcopi tanquam sedis apostolicae delegati etc. als eine reine Lehre anerkent und vermehret, aber nur giebt es noch nicht den Seelsorger eine deutliche Andeitung dem Volk alle unächten Begrife bey diesen Gegenständen aus den Köpfen zu bringen, die durch Jahrhunderte die Köpfe eingenommen haben. Hiezu sollten den Predigern die Werke des Muratorius5, des Veronius als Andeitungen vorgeschrieben worden seyn. Wirklich kann man sich nicht genug verwundern, warum Muratorius von der wahren Andacht6 , ein Werkchen, welches die höchstselige Kaiserin verbreitet zu sehen so sehr gewunschen hat, vollkommen aus dem Umlaufe und aus der Vergessenheit gebracht werde. Die Stille, die von Seelenhirten über dieses Werkchen gehalten wird, lässt wenigstens nichts anderes vermuthen, und ebendeswegen wär höchste Zeit dasselbe nicht nur den Seelsorgern und Predigern zur Anleitung vorzuschreiben, sondern auch in alle Häuser und Familien zu bringen zu suchen. 3 Franciscus Veronius, * 1578, t 1649 ; LThK 2X, Sp. 729 f. 4 Denzinger-Schönmetzer, 341957, Nr. 1821 - 1825. 5 Vgl. S. 36. 6 Die Wahre Andacht des Christen, untersuchet tmd von dem weltberühmten Ludewig Anton M11ratori . . . unter dem Namen Lamindi Pri tanii . . . beschrieben . .. 3. Auflage. Wien-Prag-Triest 1762 . 266

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