Manfred Brandl - Der Kanonist Joseph Valentin Eybel 1741-1805

entgegen, Christus habe der Kirche die Macht gegeben, sich die Erkenntnis über jede Sünde vorzubehalten. Hätte sie auch diese Macht nicht immer in ihrer ganzen Ausdehnung ausgeübt, so bliebe ihr doch das jus divinum, sich alle Sünden vorzubehalten; daß sie dies auch mit der Zeit getan habe, sei der Einsetzung des Bußsakramentes durch Jesus vollkommen gemäß. Immerhin traten die Beyträge zur Verbesserung ... für den Nutzen der Privatbeichte vor der „allgemeinen Beichte" ein, wenn sie auch deren Einführung in der katholischen Kirche empfahlen. Einige Jahre später sollte eines der enfants terribles der damaligen deutschen Theologie, Philipp Joseph Brunner44, mit seinem Ordinariat über die Frage des Beichtwesens in Streit geraten. Er hatte behauptet, die Ohrenbeichte sei nirgends von Christus festgesetzt worden (1793)45 : ,,In welcher Sammlung von Canonen ist denn die Glaubensentscheidung zu finden, dass die Ohrenbeichte unmittelbar von Christus eingesetzt sey46?" Die (indizierte) Ulmer Jahrschrift für Theologie und Kirchenrecht der Katholiken konnte immerhin darauf verweisen, daß eine Anzahl prominenter Theologen festgestellt hatten, die Ohrenbeichte rühre nicht von einer Einsetzung durch Christus her: so der erwähnte Eusebius Amort, Beda Mayr OSB, Ildephons Schwarz OSB, Caspar Royko und Franz Oberthür47 • Daß die private Beicht „mittelbar" von Christus eingesetzt sei, ließ man zwar gelten, doch ist so die Türe immerhin offen gelassen, diese Form durch eine andere zu ersetzen. Eybels Ohrenbeichtschrift steht am Beginn einer langen Reihe von Schriften und Kontroversen um Bered1tigung, Form und Inhalt von Beichte und Buße im deutschen Sprachraum. \Y/as vorher gewesen war, war kirchliche Entgegnung auf die Protestanten; was nachher war, war oft Abwehr zersetzender Tendenzen im eigenen Lager48 . 44 Ph. J. Brunner, <· 1758, t1829, Pfarrer (seit 1787) von Tiefenbach bei Bruchsal; einflußreicher Kirchenmann in Württemberg. Nicht in LThK. Ausführliche Angaben in HurterNomenclator I/2, bearb. M. Brand! (in Vorbereitung). 45 Zu dieser Affäre: Gedanken über das katholische Dogma von der Unfehlbarkeit der Kirche 1md der Ohrenbeichte, in: Jahrschrift für Theologie und Kirchenrecht der Katholiken I/2, Ulm 1806, S. 325 ff. 46 Ebenda, S. 338 f. 47 Ebenda, S. 338 ff. 48 Einige Quisquilien: Bei einer allgem. Versammlung des Stammvereines der kath. Vereine in Tirol und Vorarlberg am 18. 8. 1851 sprad:i P. M. Perzager über die bekannte Schmähschrift des Grazer K lubs ,Urchristentum' gegen die Ohrenbeicht: Kath. Blätter aus Tirol 1851, S. 1116; K. Haas, Beleuchtung großer Vorurteile gegen die kath. Kirche, Tübingen 1857, sucht auch jene gegen die Ohrenbeidite zu entkräften; Domprediger Jakob Obweger (Salzburg) schrieb: Die Wahrheit über die Beicht, Salzburg : Pustet 1904; P. M. Baumgarten weist die Angriffe von Henry Charles Lea über Inquisition, Ablaß und Ohrenbeicht zurück in: Die Werke von Henry Charles Lea und verwandte Bücher, 218

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