Die Kirche befreuet uns zwar durch die Ablässe von jenen alten kanonischen Strafen, die sie bestimmet hatte, weil sie selbe dazumal als den Büssern nothwendige, und zugleich hinlängliche angesehen hat, wodurch der beleidigten Majestät Gottes für die noch übrige zeitliche Strafen ein vollkommenes Genügen geschehen könne; sie befreuet uns aber keineswegs von anderen gelinderen Bußwerken, so nach Verschiedenheit der Sünden von den Priestern müssen auferleget, und von den Büssern ausgeübet werden; damit jedoch wegen dieser Linderung der Bußwerke nichts von der göttlichen Gerechtigkeit zu büssen übrig bleibe, ergänzet sie durch Zuneigung aus dem Kirchenschatze dasjenige, so von der alten kanonischen Strenge abgängig ist45 . Dieses konservative Werk beinhaltet doch auch einen sehr positiven Ansatz, der wohl erkennen läßt, daß die traditionellen Argumentationen nicht so platt waren, wie ihre Kritiker es meinten. Es geht um Ohrenbeichte und Ablaß. Die Priester sollten ... . . . sich besonders ... angelegen seyn lassen der Beschaffenheit der Laster, und Schwachheit der Büsser angemessene Genugthuung aufzulegen, daß ist, so scharfe Buße, als bei itzigen Zeiten mit Hoffnung eines Seelennutzens nach dem Verhältnisse der Sünden dem Beichtenden können auferleget werden. Deßwegen ist auch die ausdrücklich und sehr vernünftige Lehre des Normalkatechismus, daß uns die Kirche durch den Ablaß nicht gänzlich von der Schuldigkeit für die Sünden genug zu thun befreyen, sondern nur in uns den Geist der Buße erwecken, und unserer Schwachheit, und Unvermögen in etwas steuren solle ... 46 Auch der gemäßigte Apologet Moser sah die Mißbräuche, die sich ins Ablaßwesen im Lauf der Zeit eingeschlichen hatten47 . Er sah durchaus eine Änderung im Charakter des Ablasses im Lauf der Zeit. Der Ablaß war und ist eine Nachlassung der Kirchenbußen. Aber Moser fährt fort: heutzutage ist der Ablaß eben nicht mehr Erlassung der Kirchenbußen, denn die haben schon lange aufgehört. Sondern: die Kirche komme mit dem ihr anvertrauten Gnadenschatz dem wahrhaft Büßenden zu Hilfe, ergänzt die Mängel ihrer Buße. Aber diese dogmatische Lehre hat für einen Eybel genausowenig wie für einen Wittola und andere irgend ein Moment. Immerhin gesteht Moser bereitwillig48 - damit ist er aber in Widerspruch zu Unterricht vom Ablaß - daß die Ablässe für die Verstorbenen per modum suffragii von der gütigen Aufnahme des himmlischen Vaters abhingen. Die Kirche hat über die Verstorbenen keine Gewalt. Dem barocken 45 Unterricht vom Ablasse (Anm. 37), S. 94 f. 46 Ebenda, S. 93. 47 Moser (Anm. 33), S. 24. 48 Ebenda, S. 22 f. 167
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