Manfred Brandl - Der Kanonist Joseph Valentin Eybel 1741-1805

müssen. Deshalb sei nicht einzusehen, welche Strafen durch die Ablässe nachgelassen würden19 . Und doch war die barocke Ablaßpraxis darauf bedacht, zeitliche Strafen zu tilgen und die armen Seelen früher aus dem Fegfeuer herauszubekommen oder zu verhindern, daß es überhaupt so weit käme! J. Schneller, Wiens Domprediger, war wütend auf Eybel: er müsse sich doch vor Augen halten, daß seine Kirchenstrafen an Dauer Methusalems Alter überstiegen2 0. Betrachten wir noch genauer die Praxis, den armen Seelen im Fegfeuer Ablässe zuzuwenden. Vor allem hielt Migazzi am „Seelenablaß" fest, daß also per modum suffragii - fürbittweis - die Wirkungen eines Ablasses auch den Seelen im Fegfeuer zugeeignet werden könnten21 . Doch hat ein Hofdekret vom 26. Juni 1787 die Seelenablässe regelrecht verboten22 . Nur Reischach war von den Mitgliedern der Geistlichen Hofkommission gegen dieses Verbot gewesen: nach Colberts Catechisme de Montpellier, aus dem er den Unterricht in der Religion erhalten habe, huldige die Kommission „ganz irriger Meinung23 ". Abt Rauttenstrauch war 1785 verstorben. Im Grunde war Eybel in Sachen Ablaß mit ihm einer Meinung: es handle sich um einen Nachlaß der kanonischen Kirchenbußen. Zufolge Rauttenstrauch gewährten sie aber auch einen Nachlaß jener Strafen, die Gott von dem Sünder in diesem oder jenem Leben fordere24 • Nach Wolfsgruber sei Eybel damals in Ablaßsachen oberste Autorität gewesen. An ihn, nach Linz, wurden die einlaufenden Ablaßbreven gesandt und er entschied, ob die Verleihungen des Papstes echt kirchlich seien oder nicht. Am 5. März 1782 wurde ihm etwa Rauttenstrauchs Gutachten über die Ablässe zugestellt und Eybel übergab schon am 13. April 1782 21 Bogen über diese Materie, wobei er durchaus versuchte, sein Licht noch heller als jenes Rauttenstrauchs leuchten zu lassen25 . Immerhin muß man ihm aber bescheinigen, daß er auch einen dynamischeren, theologischeren Begriff vom Ablaß kannte als die landläufige „himmlische Versicherungsmathematik26 ", aber diesen besseren Begriff doch wieder durch seine gänzliche Ablehnung der Ablässe aufhob. Auch in Sachen Ablaß bewährte sich Eybels Streben, zuerst die Bischöfe gegenüber Rom hochzulizitieren, sodann den möglichst eigenständigen Bischof der Staatsgewalt restlos auszuliefern und zu unterstellen. Er duldete 19 Was ist der Ablaß? § 34, zit. I. Moser ins NS VIII, S. 17. Vgl. auch die Ausführungen Rahners weiter oben. 20 Schneller in NS VIII, 1784, S. 33. 21 Wolfsgruber, Migazzi, S. 690 f. 22 Ebenda, S. 696. 23 Ebenda, S. 695. 24 Rauttenstrauch in einem Gutachten vom 3. 12. 1781; vgl. Wolfsgruber, Migazzi, S. 680 f. 25 Ebenda, S. 681 ff. 26 Vgl. LThK 2I ,Ablaß - pastoraltheologisch'. 163

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2