Manfred Brandl - Der Kanonist Joseph Valentin Eybel 1741-1805

3. FÜR „AUFGEKLKRTE" ABLASSGESETZGEBUNG: WAS IST DER ABLASS? (1782) Aus mannigfaltigen Belegen ersieht man, daß in dem Zeitraum von Eybels Wirksamkeit der kirchliche Gebrauch des Ablasses ein Lieblingsthema aufgeklärter oder aufgeklärt sein wollender Kritik wie auch traditioneller Apologetik war. In kurzen Worten vertrat Eybel folgende Auffassung: der Ablaß tilge nur Kirchenstrafen, kanonische Bußen, hebe aber nicht göttliche Strafen auf. Die Begründung dafür wurde historisch gegeben; hier zeigen die aufgeklärten Kirchenkritiker mehr historische Unbefangenheit als die Apologeten, die durch die Subtilitäten scholastischer Diskussion nicht annähernd so gut die Quellen in den Griff bekamen. Ablässe hatten ihren festen Platz im religiösen Leben und in der seelsorglichen Übung der Zeit: wer es wagte, an ihnen zu rütteln, mußte sich gefallen lassen, auf scharfen konservativen Widerstand zu stoßen und für unkirchlich zu gelten 1. Auch in der vulgären Diskussion über den Ablaß war Eybel vielleicht der einflußreichste Schriftsteller des Tages2 . Nur war er nicht der erste. Es gab - wie könnte es auf dem Hintergund protestantisch-katholischer Auseinandersetzungen anders sein - nach Ausbruch der allgemeinen Schreibseligkeit 1781 einige Broschüren, bevor auch er in die Diskussion eintrat. Geißau erwähnt an die zehn Schriften über den Ablaß, die von der Preßfreiheit 1781 bis Ende August 1782 in Wien erschienen3 • Doch beginnen wir mit einem unverfänglichen Theologen unserer Zeit, Karl Rahner, um eine Basis zu erlangen, von der aus wir die Meinungen über den Ablaß in der Zeit Eybels sichten. Während Rahner4 inhaltlich ähnliches vorträgt wie unsere traditionell gebundenen Autoren, führt er doch als heutigen Stand der Ablaßlehre Dinge an, die damals dem nicht aufgeklärten Theologen unannehmbar gewesen wären. Rahner lehnt Mt 16 und 18 als eigentlichen Schriftbeweis für den Ablaß ab5 • Und an auf1 Z. B. spöttisch über den Portiunkulaablaß: ,Der Portiunkulaablaß ist ein ... erhabener Gegenstand; er hat ein Alter von sechshalbhundert Jahren aufzuweisen; die Machtsprüche der verschiedenen Päbste und Kardinalversammlungen, die glänzende Beredsamkeit der Prediger, und die ausgesuchtesten Beweise der Gottesgelehrten haben ihn so befestiget, so verewiget, daß derjenige die Vorwürfe einer ganzen Christenheit auf sich ziehen, und im Glauben sich verdächtig machen muß, der sichs einfallen läßt, nur das geringste dawider einzuwenden.' WRealZ 178·1, Sp. 724 f. 2 Was ist der Ablaß? Von Eybel. Wien, bey Joseph Edlen von Kurzbeck. 1782. 53 S. Expl. Stadtbibl. Wien A 11016. - Dass. 61 S. Expl. ebd. A 13714; StB Kremsmünster Bu 12. 3 Behrisch, S. 5 f. 4 LThK 21, Sp. 46 f. (Ablaß - Kirchliches Lehramt). 5 Ebenda, Sp. 47 . 160

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