Manfred Brandl - Der Kanonist Joseph Valentin Eybel 1741-1805

Eybel und ihre Überschriften anspielt322 . Die Bischöfe, deren Gewalt ja weit ausgedehnter als die der Priester ist, dürfen in ihren Diözesen Priester weihen, dürfen in ihren Sprengeln Satzungen zur Beförderung des geistlichen Besten machen, sind ex jure divino Richter in Glaubenssachen, sind verpflichtet, die echte Glaubens- und Sittenlehre, die allgemeinen Kirchengesetze und fürstliche Verordnungen ihrer Herde zu verkünden. Sie haben das Recht, alle Sünden ihrer Untergebenen zu binden oder zu lösen und können ihre Untergebenen in Kirchengesetzen und Gelübden dispensieren. Der Landesfürst vermag in der Kirche allerdings noch weit mehr als ein Bischof, schließlich darf er jene bestimmen, die geweiht werden sollen, kann ihre äußerlichen und politischen Eigenschaften bestimmen, auf ihren Lebenswandel achten und untersuchen, ob die Lehren und Verordnungen, die sie dem Volke vortragen, den Wohlstand seines Staates befördern. Wie wir wissen, lehnte Eybel die Französische Revolution ab, wie es sich eben einem Staatsdiener geziemte. Dennoch hat die apologetische, kuriale, antirevolutionäre kirchliche Richtung das „aufgeklärte" josephinische Staatskirchenrecht, so wie auch die Aufklärung, als zur Revolution führend hingestellt. Erkannten nicht manche in den Grundsätzen der Franzosen um 1790 Gedanken des Josephinismus wieder? Guilleaume Thomas Raynal323 , ein rotes Tuch für die in traditioneller Richtung stehenden Kirchenmänner, vertrat etwa folgendes: 1. Der Staat ist nicht für die Religion gemacht, sondern die Religion für den Staat. 2. Das Interesse des Staates ist die Richtschnur alles dessen, was im Staate bestehen soll. 3. Der Staat hat allein das Recht, die Übereinstimmung einer Einrichtung, welche es sein möge, mit dem allgemeinen Besten zu befinden324 . Darin läßt sich der staatshörige Josephiner vom Schlag eines Eybel in aller Deutlichkeit wiederkennen, Beleg dafür, wie antikuriales Denken sich im ganzen katholischen Europa etwa gleicher Argumente bediente! Eigenartigerweise vertrug sich aber solches absolutismusfreundliches Staat-undKirche-Denken durchaus sowohl mit antirevolutionärer wie revolutionärer Gesinnung, war ambivalent. 322 Wichtige Frage: Was ist die Kirche? und was kann ein Landesfürst in der Kirche? unpartheyisch beantwortet, von einem Franciskaner Mönch. Herausgegeben von Ruthner. Wien, zu finden bey Math. Tomicy. 1782. Rez. ProvN Nr. VI vom 20. 7. 1782, S. 66 f . Von ,Ruthner' wissen wir weiter nichts. 323 Guillaume Thomas Raynal, ' ' 1713, t 1796. Monographie von A. Feugere (Angoul~me 1922); derselbe, Bibliopraphie critique de l'abbe Raynal, Angoul&me 1922. 324 Geschichte der Besitzungen und Handlungen der Europäer in beiden Indien, 10. Bd., S. 118, zit. in: Der Katholik, 6. Bd., 1822, S. 238 f. 105

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