"abzureagieren", gegen eine etablierte Instanz anzurennen, eben gegen die katholische Kirche. Das aufklärerische Donnerwetter, das man gegen sie entlud, mochte manch innere Spannung lösen. Eybel war ein eckiger, unausgeglichener, persönlich unangenehmer Besserwisser, wie wir sie unter ,,Gschaftlern" aller Art immer wieder im Alltag erleben. Natürlich spielt noch mehr mit, nämlich die geistige Zeitlage, die anstehenden Verbesserungswünsche, der staatliche Absolutismus auf kirchlichem Gebiet - eben der »Josephinismus" im engen und präzisen Sinn. Man wird Eybel indes eine bestenfalls oberflächliche Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist zubilligen dürfen. Wenn wir nämlich die patriotische Brille beiseitelegen, so müssen wir eingestehen, daß auch einem Sonnenfels, einem Martini, einem Riegger zu wirklicher Größe einiges mangelt, so viel sie auch leisten mochten. Aber es spiegelt sich der „Geist der Zeit" deutlicher in den Kleineren und Mittleren, denn Größe bedeutet ja, eine Zeit und ihre Beschränktheit zu überwinden. Eybel war ein typischer Exponent des Zeitgeistes und seiner recht engen Grenzen; daß er selbstsicher war, und, wie alle seichteren Aufklärer, in größtem Maße unkritisch - ist dies nicht eine Gegebenheit, die im eigenen Zeitalter oft und oft feststellbar ist? Progressive, aufgeklärte, fortschrittliche Geister sind zu allen Zeiten per definitionem durch folgende Eigenheiten zu beschreiben: sie sind wohl kritisch gegen das überlieferte, Etablierte, das sie ablehnen, und deshalb gelten sie solchen, die dieses überlieferte und Etablierte nicht bewältigen können und wollen, als »fortschrittlich". Solche sind aber höchst unkritisch hinsichtlich der Grundlagen ihres Denkens, denn das "fortschrittliche" Denken ist ja in der Offensive, das überlieferte in der Defensive. So war es einst, so ist es heute. Und so müßte sich das hergebrachte Denken nach seiner formalen Seite wie auch in seinen Ergebnissen immer ungleich bohrender rechtfertigen als jenes Denken, dessen Ergebnisse - weil modischer - weit selbstverständlicher hingenommen wird. Wer auf der Woge des Zeitgeistes schwimmt, hat wenig Begründungen zu leisten. So rechtfertigt das Paradigma Eybel eine so eingehende Behandlung abseits vom musealen Interesse und der bloßen Ehrgeizbefriedigung des Autors, einen ihn fesselnden Gegenstand abzuhandeln. Ferdinand Maaß SJ, der emsige Publizist der Quellen zum Josephinismus, konnte noch wenige Wochen vor seinem Tod unsere mündlich ausgesprochene Intention, ihm diese Arbeit zu widmen, entgegennehmen, und er freute sich sichtlich darüber. Für einen jungen und an historischer Arbeit interessierten »Maulwurf" ist es immer schmerzlich, das beratende und helfende Gespräch desjenigen zu missen, der sich in der Sache am besten auskannte. 20. Februar 1975 Dr. Manfred Brandl 6
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