Vom Boom zum Bürgerkrieg

Steyr 1914-1934 im europäischen Kontext Ol iver Rathkolb imGespräch mit dem Museum Arbeitswelt In zwanzig Jahren entwickelte sichSteyr von der „Waffenschmiede Europas" zum „Armenhaus Österreichs". Um die Geschehnisse der damaligen Zeit zuverstehen, ist es notwendig, sie in einem größeren - europäischen- Kontext zu sehen und Verbindungenvon der lokalen zur großen Bühne der Weltgeschichte herzustellen. MAW: Wie kann das Ende des Ersten Weltkrieges und der Beginn der Ersten Republik aus heutiger Sicht begrifflich verortet werden? Gibt es eine Alternative zum konservativ geprägten Narrativ des Zusammenbruchs bzw Otto Bauers Rede von der österreichischen Revolution? Rathkolb: Eine genaue Analyse des Herrschaftsüberganges zeigt, dass es sich um einen von den drei bereits vor 1918 vorhandenen politischen Parte ien (Christl ichsoziale, Großdeutsche und Sozialdemokraten) moderierten und verregelten Machtübergang handelte, wobei die Tendenz zueiner funktioni erenden Konzentrationsregierung auch durch dieAngst vor einer „Rätereg ierung", einer „bolschewist ischen Revolution" nach russischem Muster geprägt wurde. Aus diesem Kontext heraus sind revolutionäre sozialpol itische Gesetze , ei ne fortschrittliche Verfassung mit Schwergewicht auf die repräsentati ve parlamentarische Demokratie 1920 sowie das Frauenwahlrecht erkl ärbar. Die erste echte freie und demokratischeWahl , an der erstmals Frauen teilnehmen konnten , wurde am 16. Februar 1919 durchgeführt - mit relativ hoher Wahl beteil igung (82 ,10% bei den Frauen und 86,97% bei den Männern). Dabei konnten sich dieCh ri stlichsozialen als die Frauenpartei etablieren, wohingegen die Sozialdemokraten noch weniger als dieGroßdeutscheVolkspartei für Frauen damals wählbar waren . Der Wahlkampf war kurz und heftig , die Sozialdemokratie trat für ein neues Gesell schaftsmodel l und den Beginn des „Kl assenkampfes", d.h. die Fortsetzung der ideologischen Entwicklung vor 1914, ei n. Die katholische Kirche hingegen stützte massiv die Christl ichsozialen. 1919 konzentri erten sich dieChristlichsozialen in der Wahlwerbung auf „Bauern und Gewerbe", Kampf gegen eine „soziali stische Repub lik" und auf

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