Mitbedingt durch die hohe Arbeitslosigkeit und die allgemeine Not war Steyr schon in den 1920ern Brennpunkt des Kulturkampfes zwischen der sozialdemokratisch organisierten Arbeiterbewegung und dem bürgerlichen Milieu. Ab Mitte 1932 ging der christlichsoziale Bundeskanzler Dollfuß planvoll an die Errichtung einer Diktatur. Sein „Staatsstreich auf Raten" zog sich über einei nhalb Jahre hin und endete schließlich mit der Niederschlagung eines verzweifelten, unkoordinierten Aufstandes von Teilen der sozialdemokratischen Basis im Februar 1934. Abermals war Steyr eines der Zentren der Auseinandersetzungen. Im Zuge der tagelangen Kämpfe beschoss das Bundesheer die Arbeitersiedlung auf der Ennsleite mit Artillerie, ein gefangengenommener Schutzbündler, Josef Ahrer, wurde durch ein Standgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Zurück blieben mehrere Todesopfer auf beiden Seiten und ein tief empfundenes gegenseitiges Misstrauen, das noch Jahrzehnte fortdauerte. DieAusstellung „Vom Boomzum Bürgerkrieg" spürt dieser Ära nach, indem sie die Erfahrungszusammenhänge der sogenannten „ei nfachen" Menschen ins Zentrum rückt. Die große Politik bildet einen wichtigen Rahmen, im Fokus stehen aber die alltäglichen Dinge des Lebens, die Perspektive von Menschen wie dir und mir. An mehreren Punkten beschränkt sich die Darstellung nicht auf Nacherzählung. An mehreren Punkten der Ausstellung sehen sich Besucherinnen und Besucher auch genötigt, selbst Position zu beziehen. Viele Fragestellungen und Probleme, die Menschen in Steyr zwischen 1914 und 1934 beschäftigten, sind schließlich weder zeitlich noch örtlich auf die Stadt beschränkbar, wirken bis heute. Unabhängig davon, wo und wie wir se lbst heute leben, ist es deshalb ein Teil unserer eigenenGeschichte, der wir uns gegenüber sehen. Fotos: Museum Arbeitswelt Beschuss der Arbeiter-Wohnsiedlung Ennsleite, Februar 1934.
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