ein „rotes Tuch" gewesen war: ,,Der rotze Fetzen muss vom Rathaus", forderte Ernst Rüdiger Starhemberg aus Eferding, Bundesführer der Heimwehr. Am 29. Dezember 1931 erklärte Bürgermeister Sichlrader den Bankrott der Stadt. Auf die drückende Armut folgte die Unterdrückung von Meinung und Menschen. Die Parteien der Kommunisten und Sozialdemokraten sowie der Schutzbund waren bereits verboten, nun terrorisierte die Heimwehr die Menschen. Immer wieder kam es zu Schlägereien zwischen Schutzbündlern und Heimwehrlern, selbst unter Kindern wurde deswegen gerauft. Der Steyrer Franz Weiss, geboren 1920, erinnert sich: ,,Wir sind so aufgewachsen, dass wir zwischen Rot und Schwarz unterschieden haben. Die Roten waren die Minderbemittelten, die am liebsten keine Arbeit kriegen sollten, und die anderen, das waren die Begüterten, die Reichen. Da haben wir oft Raufereien gehabt. Wir haben uns ausgekannt, weil daheim darüber geredet wurde." 1934 lebten 16 Prozent der Einwohner in Steyr in Untermiete oder als Bettgeher, in Waggons, Baracken und Asylen. Wohnungsnot war ein Erbe der Monarchie, die sich nicht um den Wohnungsbau gekümmert hatte, die während des Krieges als Notunterkünfte errichteten kalten Baracken auf der Ennsleite wurden noch in den 1930er Jahren vermietet. Die 300 Wohnungen, die dort durch eine lokale Genossenschaft errichtet wurden, konnten die Wohnungsnot nur wenig lindern. Es gärte schon lange, viele Arbeiter und Arbeitslose hatten bereits in den Jahren zuvor Räte gebildet, sie streikten und demonstrierten. Das Widerstandpotenzial der Arbeiter, Arbeiterinnen und Arbeitslosen in der Stadt war bereits in den Kriegsjahren manifest - so führten schon im September 1916 der Mangel an Brot, Kartoffeln und Mehl zu tagelangen Unruhen, im Mai des folgenden Jahres brach in einer Kantine wegen ungenießbaren Fleisches der „Beuschelstreik" aus. An die 20 Streiks fanden bis 1927 in Steyr statt. Im Februar 1934 fehlte Massenmobilisierung aber, was mit ein Grund war, dass der Aufstand scheiterte. Egalite war nicht egal Der Februarkampf in Steyr war von Beginn an auf Verteidigung ausgerichtet, obwohl sich Politiker und Funktionäre zuerst noch kämpferisch zeigten. So hatte am Rosenmontag der Linzer Schutzbundobmann Bernaschek die Spitze der Steyrer Sozialdemokratie (darunter Bürgermeister Franz Sichlrader, der Leiter des Schutzbundes, und August Moser, Obmann des Betriebsrates der Steyr-Werke) zu einer Krisensitzung nach Linz gerufen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Sie bekräftigten ihn in seinen Plänen, zu den Waffen zu greifen, und sagten Unterstützung zu. Allerdings soll Bürgermeister Sichlrader am Rückweg gesagt haben: ,,Hoffentlich drahn's (der SP-Parteivorstand in Wien) eam des o." Aber auch der Schutzbundobmann Steyrs traf nach dem Treffen keine Vorbereitungen für einen Kampf. Als Mann der Tat erwies sich tags darauf August Moser, er folgte Bernascheks Auftrag: Nachdem er am 12. Februar in der Früh von Kampfhandlungen in Linz informiert worden war, rief Moser nach dem einstimmigen Beschluss aller Betriebsräte der Steyr-Werke den Streik aus. Es streikten Arbeiter wie Angestellte . Danach versammelten sich Schutzbündler in Gruppen , der Hauptsammelplatz und Hauptschauplatz der Kampfhandlungen war auf der Ennsleite, von wo aus man die restliche Stadt gut überschauen konnte. Man hatte dort entlang der Hangkrone aus Holzbrettern notdürftig Stellungen errichtet. Um Mittag wurde das Feuer eröffnet, wenig später wurden die Gleise der Eisenbahn gesprengt. Doch der Schutzbund in Steyr war nach einer ersten Verhaftungswelle kopflos, ohne zentrale Organisation. Aber auch wegen der mangelnden Ausrüstung und der schlechten Waffen war der Kampf von Beginn an ein aussichtsloser. Unter den ersten Toten des 12. Februar war der Werksdirektor der SteyrWerke, Wilhelm Herbst. Er galt unter den Arbeitern als Prototyp des kalten Kapitalisten, über die Not der Steyrer Arbeiter auf der Ennsleite soll er gesagt haben: ,,Solange die dort Rosen statt Kartoffeln in ihren Gärten anbauen , kann es ihnen nicht so schlecht gehen." Als er am 12. Februar den Betrieb verließ, wurde er in seinem Auto erschossen. Andere Schutzbündler zogen indessen zur Steyrer Bundesheerkaserne, einem strategisch wichtigen Punkt. Auf ihren Angriff folgte jedoch bald Feuer aus Maschinengewehren, wenig später waren die Soldaten wieder Herr in ihrem Hause. Anders als etwa bei den Barrikadenkämpfen in Frankreich, wo sich rund hundert Jahre zuvor immer wieder viele Soldaten auf die andere Seite geschlagen hatten, hatten die Soldaten in Steyr keine Skrupel , auf Arbeiter zu schießen. Mit einer Ausnahme: Oberleutnant Karl Wallersgraber, der kurzfristig das Kommando des örtlichen Alpenjägerregiments übernommen hatte. Er wollte nicht auf die „Sozis" schießen. Straßenschild auf der Ennsleite, Steyr 2014. Foto: J. Kerviel
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