Chronologie der Krise Raimund Locicnik Das Jahr 1913 markiert eineZäsur in der Geschichte des Bauens, des Arbeitens und des Alltags in Steyr. Am 12. Jul i 1913 wird mit dem Bau der neuenWaffenfabrik auf den so genannten Kamme rmayr-, und Schacherlehnergründen oberhalb des altehrwürdigen Engelhofes und etwas östlich der Ennslei te begonnen. Die Bevölkerung soll offensichtlich bis zum unübersehbaren Baubeginn uninformiert bleiben. Erst in der Ausgabe vom 13. Juli 1913 vermerkt der „Alpenbote" in einem unscheinbaren Dreizeiler: ,,Steyr, am12. Juli 191 3 - Heute wurde der Bau der neuenWaffenfabri kobjekte der Firma Wayss & Freitagaus Wien übergeben"1 . Nur vier Tage später meldet sich die Baufirma selbst mit einer etwas anderenAufmachung im Alpenboten zu Wort. In einer ganzseitigenAnzeige wird der Bevölkerung in großen Lettern kl ar gemacht, was Sache ist: ,,Eswirdbekannt gegeben , dass mi t denBauarbeiten fü r die neue Waffenfabrik bereits begonnen wurde und das Betreten des Bauplatzes strengstens untersagt ist". Ab diesem Ze itpunkt ist in Steyr nichts mehr, wie es einmal war. In Stuttgart krempelt sich indes der bereits über fünfzigjährige Industri earchitekt Philipp Jakob Manz die Ärmel hoch, um sein bisher größtes und innovativstes Projekt zu realisieren. Er kreiert einen neuen Begriff, der in Zeiten aufziehender Kriegsgelüste mehr zähl t als jede Ästhetik und Kunstfertigkeit: die „Blitzarchitektur". Als einziger fühlt sich Manz in der Lage, die festgelegte, fast irrational ersc l1einende Bauzeit von 260 Tagen für die Aufrichtung vonsechzehn Objekten auf 90.000m2 Fläche in Steyr zu erfü ll en.2 Architekt Philipp Jakob Manz (links) besichtigt die Baustelle der neuen Steyr-Werke, 1913. Quelle: Stadtarchiv Steyr Leben,Wohnen undAlltag in Steyr ist abdiesem Zeitpunkt nicht mehr von der neuen Fabrik zu trennen. Alle Bereiche der ruhigen, fast verträumten , 18.000 Einwohner zäh lenden Stadt werdenvonnun an durch die Aufst iegsund Fallphasen des Großunternehmens geprägt. Schon im Juli 191 5 erhöht sich die Bevölkerungszahl auf 26.000 und ist ständig im Steigen begriffen. Eine Volkszählung im Oktober 1916 ergibt eineSumme von 29.840 Einwohnern , die Kriegsgefangenen nicht mitgerechnet. Der feh lende Wohnraumwird zu einemunerbittlichenProblem. 1 AB 1913, Nr. 56, S.3 2 Renz Kerstin: Industriearchitektur im frühen 20. Jh. , S.52 und 62ft
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