Die Geschichte des Wehrgrabens 1936/1960

3 Steyr verdankt seine hervorragende Stellung unter den Städten des Mittelalters vor allem seinem blühenden Eisengwerbe. Dass dieser Erwerbszweig zu solcher Blüte gelangen konnte, hatte verschiedene Ursachen. Einer der Herren von Steyr war schon 906 auch Herr im Enns- und Mürztal und Graf von Leoben. Scheinbar lag auch der Bergbau zum großen Teil in den Händen der Herren von Steyr, deren Sprossen die steiri- schen Ottokare waren. Sonst hätte nicht Kunigunde, die Witwe eines der Ottokare, um 1170 dem Stift Vorau einen Grund bei Leoben, auf dem man Eisen grub, schenken können. 1175 verschaffte ein Oto- kar der Karthause zu Seitz von dem Ort Leoben zwanzig Klumpen oder Mass Eisen. Unter ihm und seinen Vorfahren — so schreibt P.X. Prit z 1 — war wohl in der Stadt Steyr die Bear- beitung des Eisens vom Innerberg schon häufig und wahrscheinlich der Handel von Eisenwaren wenn auch nicht bedeutend — doch im Emporblühen und mit Privilegien versehen. Pritz' Ansicht wird durch den Umstand gestützt, dass die Herren von Steyr die Grundherren des Steyr- dorfs und des Aichets waren, 2 durch welche Dörfer die Wasser des Saich- oder Wehrgraben flossen. Da hatten sie alle Ursache, das Eisenhandwerk amWehrgraben zu fördern, nicht nur, weil sie dadurch neue Handwerker zur Ansiedlung anzogen, wodurch der Herrschaft größere Einnahmen zuflossen, sondern weil auch die Eisengewinnung in Ihren Gebieten gehoben wurden. Wann der Wehrgraben gebaut wurde, kann heute wohl niemand sagen. In einer Merkschrift vom Jahr 1572 3 heißt es, dass er von Uralters her, über etlicher Menschen Gedächtnis, bestand. Der Wehrgraben erhält sein Wasser aus der Steyr; ca. 1 Kilometer außerhalb der Stadt, bei der Kruglwehr, wird 1/3 ihres Wassers mehr südlich und gegen die Auen geleitet, welche von der hoch- und romantisch gelegenen Kirche Christkindl beherrscht werden. Im Tal liegt die Ortschaft Unterhim- mel, in welcher die Wasserkraft seit alten Zeiten ausgenützt wird. Von den Zeugen der Unterhimmler (auch Himmlitzer genannt) wird das Wasser nach dem „Voglsang“, einem Stadtteil Steyrs geleitet, wo es wieder gestaut und dienstbar gemacht wird. Dieser Wasserarm wird die „reiche Steyr“ genannt. Oberhalb der Mitterau wird die Steyr durch eine lange Wehr gegen das tiefer liegende Bett des Mit- terwassers abgeschlossen, welches das Überwasser der Steyr aufnimmt. Unterhalb der Kruglwehr setzt die Steyr ihren Lauf fort. Um ihr Wasser zu erhalten, waren oft kost- spielige Bauten notwendig, so auch unterhalb der „Schwarzen Brücke“. Hier mussten die alten Holz- bauten durch einen starken Steinkasten ersetzt werden, um den Durchbruch der bei Hochwasser ge- waltige Wassermassen führenden Steyr in die Auen zu verhindern. Etwas weiter flussab, hindert das Plautzenhofwehr den Abfluss der Steyr durch die Auen in die „reiche Steyr“. Nur bei hohem Wasser- stand wird das Wehr überronnen oder schießt das Wasser durch die geöffneten Schleusen der Wehr, der reichen Steyr zu, um durch das Mitterwasser wieder in das eigene Flussbett zu gelangen. Bevor jedoch die Wasser der Steyr in den eigentlichen Wehrgraben gelangen, wird unterhalb der Annabrücke Wasser in den „Saggraben“ abgeleitet und dort gestaut, um die Wasserkraft zu nützen. Müde fließen im Unterwassergraben die Wasser in den Wehrgraben zurück. Dort werden die kostbaren Wasser- kräfte nach althergekommener Art in vier Zeugstätten sorgsam ausgenützt. In der ersten Zeugstätte wird das Wasser in 13 Fludern zu kleinen Radhütten geleitet, welche das Grabenbeet fast in seiner ganzen Breite überdecken, nur dem Ablass in der Mitte Raum gebend. Mit dem Unterwasser des Saggrabens vereint flieset das Wasser dann ruhig der zweiten Zeugstätte zu. Doch ist ihm auf seinem Wege noch dreimal Gelegenheit geboten, ein Übermaß an Wasser und den mitgeführten Schotter aus den Graben zu bringen: durch die große und die kleine Falle in das Mit- terwasser und durch den Ablass der Wehr vor der 2. Zeugstätte in den langen Kanal, das Überwasser genannt, der in den Steyr-Fluss endet. Nachdem das Wasser auch in der 2. Zeugstätte die ihm auf- erlegte Arbeit geleistet hat, fließt es der 3. Zeugstätte zu. Beim Ablass derselben zweigen gabelför- mig zwei Kanäle ab, welche ihr Wasser ebenfalls gegen die Steyr führen und die Insel „Elba“ ein- schließen. Das durch die Zeugstatt gelaufene Wasser fließt, neue Kräfte sammelnd, der 4. Zeugstätte zu. Kurz ist der Weg, so kurz, dass ein kleines Übermaß an Stauung sich leicht für die Oberlieger 1 Pritz Seite 402 2 Über die Stadt waren sie wohl Gerichtsobrigkeit, aber nicht Grundherren. Grundherren waren, zum Teil wenigstens, die Herren von Volkensdorf. 3 Stadtarchiv Steyr.

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