105. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr

Schulqeschichte: Der Abend-Matura-Kurs 1926 —1931 Es hat fallweise Immer wieder Schüler gegeben, wel che außerhalb des normalen Schul-Unterrichtes den Lehrstoff der Mittelschule erarbeiteten und dann als Privatisten die Matura absolvierten. Es fiel aber auf, wenn In derSchulstatlstIk mehr als 2 Privatlsten im Jahr als Ma turanten ausgewiesen wurden. In den 75 Jahren 1975-1950 gab es nur einige solcher Privatlsten. Ein or ganisatorisches und schulpädagogisches Neuland ergab sich 1926. Auf eine Umfrage, deren Initiatoren nicht mehr feststellbar sind, meldeten sich 41 Interes senten, welche eine Matura-Ausbildung anstrebten. Absolut neu war auch die Tatsache, daß die lernwllllgen Schüler schon Im Beruf stehende Arbeiter und An gestellte aus Steyr und Umgebung waren. Aus dem Vorgriff auf das Jahr 1931 konnte festgestellt werden, daß Im Juni dieses Jahres tatsächlich eine Dame und fünf tterren zusammen mit der damaligen achten Klasse eine reform-realgymnasiale Matura be standen haben. Für den an der Schulgeschlchte inter essierten Leser ergaben sich schon 1926 einige Fra gen; welche schuladministrative Vorgänge lagen vor, um der ungewöhnlich hohen Anzahl von Interessenten auch gerecht zu werden? Wer entlohnte die unterrich tenden Professoren? Der Unterricht wurde fünf Jahre hindurch jeden Abend In den Realschulräumen erteilt. Dafür war die Schulverwalterin zuständig. Der Verfasser möchte hier zu seiner Rechtfertigung einflechten, daß diese formal-jurldlsche Frage kaum die Abfassung eines Elaborates rechtfertigen, obwohl dar über seines Wissens nie berichtet wurde. Die nachste hende Darstellung gilt vielmehr der Bewunderung der enormen Lernwilligkelt und der ungeheuren Ausdauer der Kursteilnehmer. Die wirtschaftliche Lage In Steyr hattesich In den Berichtsjahren bedrohlich verschlech tert [in der 2. Jahreshälfte 1930 hatten die Steyr-Werke It. Manfred Brandl''M253 Arbeiter und 350 Angestellte, das waren 70 % der Belegschaft, entlassen. Davon wa ren auch Teilnehmer am Maturakurs betroffen. Unter den Beweggründen für die Kursteilnahme wird man wahrscheinlich die Einsicht erwähnen müssen, daß das Studium als ein steiniges, aber doch wesent liches Pflaster zur Erhöhung des Lebensstandardes an gesehen wurde, wenn von den Immateriellen Werten der Bildung ganz abgesehen werden soll. Die ersten Nachforschungen zur Klarstellung der Dinge blieben entgegen der Erwartung ergebnislos. Die ge druckten Schulberichte erwähnten diesen Abendma turakurs nicht. Aber auch In den Akten des Realgymna siums und der Gemeinde Steyr ist der Gegenstand nicht aktenkundig. Festgestellt wurde u. a. auch, daß kein Zusammenhang mit der Oktober 1928 In Linz erst malig eröffneten Arbeitermittelschule bestand. Licht In die Finsternis brachte ein ausführlicher Brief^'des kürz lich verstorbenen Ehrenbürgers der Stadt, Direktor Elans Schanovsky, an den Verfasser, worin jener auf An frage über die Entstehung und Führung eines Matura kurses für Berufstätige von 1926 bis 1931 berichtete. Da dieser selbst einer der 6 Privatisten war, welche 1931 In Steyr maturierten, dürfte es wohl keinen geeigneteren Zeugen geben. Der Bericht verwies eingangs darauf, daß Schanovsky sich an keinen besonderen Initiator erinnere, obwohl man eine Anregung etwa bei der Arbeiterkammer, bei einem prominenten Mitglied einer politischen Partei, bei einer kulturellen Einrichtung oder bei einer sonsti gen Persönlichkeit suchen könnte. Der damalige Direk tor der Schule, Anton Rimmer, (Foto, S. 85] förderte zwar die Unternehmung weitblickend, wahrte aber stets die Distanz. Kernpunkte der Darstellung von Schanovsky waren, daß es sich bei diesem Kurs nicht um eine „offizielle" Ein richtung handelte, well es dafür keine gesetzliche Be-

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