104. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr

Steyr und der Wehrgraben Steyr hat viele Gesichter und wird mit vielen Prädikaten geschmückt: Kul turstadt dank seines unveränderten mittelalterlichen Kernes mit herrlichen Baudenkmälern, Christkindlstadt als Wunschtraum vieler Kinder, seit neuem auch Sport- und Schulstadt, vielgepriesene Eisen- und Industriestadt als Lebensnerv dieses pulsierenden Gewerbezentrums rund 40.000 emsig schaf fender Menschen. All diese Mosaiksteinchen formen Steyr zum Juwel, zu den schönsten Orten Österreichs zu zählen. Uralte Tradition und Fortschritt mach ten Steyr zu dem, was es ist, eine Kleinstadt mit internationalem Ruf ob seiner Qualitätsprodukte in der Eisenverarbeitung. Im Wehrgraben herrschte früher reges Schaffen, das der Steyrer Geschichtsschreiber Pritz verherrlichte, und vom Tönen und Klopfen der Häm mer, vom majestätischen Donner der schweren Hammerschläge, die vom spie gelklaren Steyrwasser in Tätigkeit versetzt wurden und von rußigen Gestalten sprach, die munter und singend ihre Arbeit vollbrachten. Ein kurzer geschichtlicher Abriß soll Reichtum der Bürger und Ansehen der Stadt verständlich machen; War unter der Herrschaft der Römer Lorch Sitz der Eisenindustrie (Schildefabrik), verlagerte sich unter den steirischen Otakaren der Schwerpunkt nach Steyr. Das Handwerk der Messerer und Waffenschmie de führte zu einem mächtigen Aufschwung, der durch das Große Privileg Her zog Albrechts I.—die älteste Urkunde des Stadtarchivs (1287) — begründet war, dem sogenannten Stapelrecht, wonach drei Tage Eisen aus dem Innerberg feil geboten werden mußte. Für die Verschiffung des Eisenerzes und den Transport diente die wilde Kraft der ungeteilt dahinfließenden Enns, während die Steyr mit ihren vielen kleinen Armen und ihren unzähligen Wasserwerken die notwendi ge Grundlage für die eisenverarbeitenden Betriebe lieferte. Die Waffenfabrika tion beschränkte sich anfangs auf die Herstellung von Rüstungen, Schwertern und Spießen. So ließ der damalige König Maximilian 1.1491 400 Schilde anferti gen. Bereits 1529 verfaßten die im Wehrgraben ansässigen Handwerker eine Wehrgrabenordnung, die den Betrieb der vier Zeugstätten regeln sollte, jedoch 1584 und 1879 erneuert wurde. Bereits im 16. Jahrhundert entwickelte sich ein reichhaltiges Zunftwesen. Steyrer Qualitätserzeugnisse wurden von emsigen Handwerkern produziert, und Steyrer Handelshäuser trugen den Namen der Stadt in alle Teile der Welt. Der Übergang vom Handwerk zur Industrie vollzog sich im vorigen Jahr hundert durch Josef Werndl. Er gestaltete die von seinem Vater Leopold ererb ten Werkstätten zu einem Großunternehmen um und wurde somit der Begrün der der modernen Eisenindustrie in Steyr. Durch die Niederlage von Königgrätz 1866 gegen Preußen erhielt Werndl den Auftrag zum Umbau von 80.000 Vorder in Hinterladergewehre sowie die Anfertigung von 250.000 „Werndl-HolubHinterladergewehren". Fabriksanlagen mußten erweitert werden. Vorerst erzeugten 4500 Arbeiter wöchentlich 5000 Gewehre. „Der Vater der Arbeiter"

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