8. B-Klasse (Mag. Ingrid Follner) 1. Erörtern Sie anhand des vorliegenden Textausschnitts (Walter Jens: Wo bleibt der Codex? Anmerkungen zu der Frage nach der wissen schaftlichen Ethik, DIE ZEIT Nr. 20 vom 11.5.1984, S. 48; s. Beilage) das Problem der Verantwortung des Wissenschaftlers! Folgende Einzelaufträge sind zu bearbeiten: a) Was fordert Walter Jens von den Wissenschaftlern? b) Fassen Sie kurz die Thesen von Teller und Franck zusammen! c) Die Wissenschaftler reden wie Franck, handeln aber wie Teller. Worin liegen die Gründe für diese „Schizophrenie"? d) Formulieren Sie eigene Gedanken zur Ethik des Wissenschaftlers! Walter Jens: Wo bleibt der Codex? Anmerkungen zu der Frage nach der wissenschaftlichen Ethik. DI E ZEIT Nr. 20. 11. 5. 1984, S. 48. Aufarbeitung der Geschichte ihrer Disziplin, mit samtderen Dialektik:Das wäre, im Zeichender dro henden Katastrophe, die erste Aufgabe der Natur wissenschaftler, wobei es wohlgemerkt um Trauerarbeit, nicht aber um Schuldzuweisungen ginge. Und dann das zweite: Der historischenAna lyse hätte, zum Heute gewendet, die wissen schaftstheoretische Besinnung auf die Verantwor tung der Physiker, Biologen, Mediziner in einem Augenblick zu folgen, da sie ihre Unschuld — sprich: zeitenthobeneNeutralität— ein für allemal verloren haben. Abermals wäre ein Disput zu insze nieren — ein Streitgespräch zwischen Edward Tel ler, beispielsweise, und James Franck. Teller: „Der Wissenschaftler ist für die Gesetze der Natur nicht verantwortlich. Seine Aufgabe ist es lediglich her auszufinden, in welcher Weise diese Gesetze funk tionieren. Die Aufgabe des Wissenschaftlers be steht darin, Wege zu suchen, diese Gesetze dem menschlichen Willen Untertan zu machen. Es ist hingegen nicht die Aufgabe des Wissenschaftlers zu entscheiden, ob Bomben gebaut, ob sie ange wandt oder wie sie angewandt werden." Gegenrede James Francks und seines Teams; „In der Vergangenheit konnten die Wissenschaftier jede unmittelbare Verantwortung für den Gebrauch, den die Menschheit von ihren uneigennützigen Ent deckungen machte, ablehnen. Jetzt aber sind wir gezwungen, einen aktiven Standpunkt einzuneh men, weil die Erfolge, die wir auf dem Gebiet der Kernenergie errungen haben, mit unendlich viel größeren Gefahren verbunden sind als bei allen Er findungen der Vergangenheit." Hier Edward Teller, dort James Franck: Die Ent scheidung, wer von beiden Recht und Moralität auf seiner Seite hat, scheint einfach zu sein — ist es aber offenbar in Wahrheit nicht: Wie anders wäre es sonst zu erklären, daß die Mehrzahl der Wissen schaftler auch heute noch zwar wie Franck redet, aber wie Teller handelt? Wo, fragen wir, liegen die Gründe der Schizophrenie, die Naturforscher ver anlaßt, den Mächtigen die Verwertung ihrer For schungen zu überlassen, obwohl sie doch zum er sten wissen, daß die Entscheidungsbefugten — man denke an die Verhöhnung der Physiker durch General Groves beim Bombenabwurf auf Nagasaki — nicht daran denken, die Skrupel der Forscher auch nur in Erwägung zu ziehen, obwohl sie, zum zweiten, anders als ihre Vorgänger, sehr wohl eine Ahnung haben, „zu welchen Greueln gegen die Menschheit", mit Brecht zu reden, „die Meisterung der Natur führen mag", obwohl sie zum dritten durch die Geschichte belehrt sein müßten, daß gerade die babarischsten Mächte sich mit Vorliebe der schein bar unpolitischen Wissenschaftler bedienen, um ihre Ziele in die Tat umzusetzen, und obwohl sie, viertens und letztens, zumindest heute erkennen müßten, in welchem Ausmaß sich anno 1984 auch die vermeintliche freie Grundlagenforschung von Forderungen der Rüstungs-Lobbys und MilitärBürokratien akzentuiert sieht. Erläuterungen: Codex: W. Jens meint, ähnlich wie die Ärzte (hippokratischer Eid) müßten auch die anderen Wissen schaftler einen „Ehrenkodex" haben. (Codex = Gesamtheit aller Regeln, die in einer Gesellschaft(sgruppe)maßgebendsind.) James Franck:geb. 1882 in Hamburg,gest. 1964 in Göttingen, Nobelpreis 1925; im 2. Weltkrieg in der amerikanischen Kernwaffenproduktion tätig; Edward Teller: geb. 1908 in Budapest; entwickelte die amerikanische Wasserstoffbombe; General L R. Groves: übernahm 1943 die militäri sche Leitung der amerikanischen Kernwaffenpro duktion. 2. Hans Matz: Überlagerter Satz Es braucht viel Mut, sich anzunehmen, wie man ist. Sich anzunehmen, wie man ist, ist feige und bequem. Diskutieren Sie die beiden hier dargestellten Standpunkte! 3. „Wer fernsieht, muß erst recht lesen." Wie beurteilen Sie aufgrund ihrer Erfahrungen im Umgang mit Fernse hen und Literatur diese These eines österreichischen Publizisten?
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